Chilenen wollen keine neue Verfassung
5. September 2022Zur Wahl stand eine neue Verfassung, die sich auf soziale Rechte, die Umwelt, die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der chilenischen Ureinwohner konzentriert. Sie sollte den derzeitigen Text ersetzen, der noch aus der Diktatur von Augusto Pinochet stammt. Doch für die Magna Charta, die das südamerikanische Land grundlegend verändert hätte, stimmten nach vorläufigen Berechnungen nur 38 Prozent der Wähler.
Jüngste Umfragen hatten darauf hingedeutet, dass der fortschrittliche Entwurf für einen "sozialen und demokratischen Rechtsstaat" in Chile abgelehnt werden könnte. Die Deutlichkeit überrascht aber doch. Vor allem an den vorgesehenen neuen Rechten für die Ureinwohner schieden sich die Geister. Die Indigenen machen etwa 13 Prozent der chilenischen Bevölkerung aus. Der neue Entwurf hätte ihnen größere Autonomie und die Anwendung ihrer eigenen Rechtsprechung zugestanden.
Der chilenische Präsident Gabriel Boric baute für den Fall einer Niederlage bereits vor. Für Montag lud er alle politischen Parteien in den Präsidentenpalast ein, um die Weiterführung des verfassungsgebenden Prozesses zu analysieren, wie die chilenische Zeitung "La Tercera" berichtet.
Die sozialen Spannungen werden bleiben
Hauptauslöser für den verfassunggebenden Prozess waren die sozialen Unruhen des Jahres 2019. Viele Menschen führten die wachsenden gesellschaftlichen Ungleichheiten auf die alte Verfassung zurück. Diese wurde zwar seit 1990 mehrfach reformiert, lässt der Privatwirtschaft jedoch weiterhin freie Hand in vielen Bereichen.
Eine Verfassungsgebende Versammlung hatte die Magna Charta ein Jahr lang ausarbeitet. 15 Millionen Menschen waren dazu berechtigt, an der verpflichtenden Abstimmung teilzunehmen.
rb/mak (AFP, AP, dpa, Reuters)