Die NATO braucht Deutschland
6. Mai 2005Für die 1949 gegründete NATO war die damalige Bundesrepublik ein wichtiges Aufmarschgebiet am Eisernen Vorhang zwischen den Blöcken. Sie sollte politisch und militärisch in den Westen integriert werden. Frankreich hatte seine Bedenken gegen eine Wiederbewaffnung der Westdeutschen erst zehn Jahre nach dem Ende des verheerenden Zweiten Weltkrieges aufgegeben.
NATO als Friedensgarant in Europa
Eine Armee hatte die Bundesrepublik am 6. Mai vor 50 Jahren allerdings noch nicht. Die wurde erst im Laufe des Jahres langsam aufgebaut. Nur acht Tage später, am 14. Mai 1955, gehörte die DDR zu den Gründungsmitgliedern des Warschauer Paktes, dem Militärbündnis unter sowjetischer Führung.
"Für Deutschland, das lange an der Nahtstelle zwischen Ost und West lag, war die NATO von Anfang an lebenswichtig. Sie war Garant des Friedens in Europa", erinnerte sich Bundespräsident Horst Köhler bei seinem Besuch im NATO-Hauptquartier in Brüssel im Januar 2005. "Die Bündnispartner, allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika, haben uns Deutschen viele Jahrzehnte lang die beruhigende Gewissheit gegeben, dass befreundete Nationen rückhaltlos für Frieden und Freiheit in unserem Land eintraten."
Größter Truppensteller im Ausland
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde auch die ehemalige DDR ein Teil des NATO-Gebietes. Die Bundeswehr nahm 1995 zum ersten Mal an NATO- Auslandseinsätzen teil, im ehemaligen Jugoslawien. Heute sind rund 5000 deutsche Soldaten unter NATO-Flagge eingesetzt, hauptsächlich in Afghanistan und im Kosovo.
"Deutschland hat politisch einen sehr weiten Weg zurückgelegt, bis es sich für die Beteiligung an Friedenseinsätzen der NATO außerhalb des Bündnisgebietes entschieden hat", sagte Bundespräsident Köhler. "Auf dem Balkan und in Afghanistan stellt Deutschland heute die größten Kontingente und leistet einen unverzichtbaren Beitrag."
Deutschland ist größter Truppensteller für Auslandseinsätze und nach den USA der zweitgrößte Beitragszahler in der Allianz. Aber erst ein Mal stellte der größte europäische Verbündete den NATO-Generalsekretär: Manfred Wörner von 1988 bis 1994. Bis zum Konflikt um den Irak-Krieg galt Deutschland in der NATO als treuer Verbündeter der Amerikaner.
Diskussion um Schröders Reformidee
Dieses harmonische Bild bekam schwere Risse. Beim letzten NATO-Gipfel im Februar 2005 forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder mehr Mitspracherechte für die Europäer bei Entscheidungen der NATO. Der transatlantische Dialog müsse verbessert werden, erklärte Schröder: "Denn man kann nur gemeinsam verantworten, was man auch gemeinsam entschieden hat."
US-Präsident George W. Bush legte ein flammendes Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis ab. Allerdings ist für ihn klar, dass Washington in der NATO weiterhin den Ton angibt: "Vorübergehende Debatten, zeitweilige Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungen, keine Macht auf Erden soll uns jemals trennen können."
Sicherheit statt Abschreckung
50 Jahre nach dem Beitritt der damaligen Bundesrepublik hat sich die Rolle der NATO grundlegend gewandelt. Sie muss nicht mehr Gegner mit Atomwaffen abschrecken, sondern will gemeinsame Werte und Sicherheitsinteressen in aller Welt verteidigen. Sie baut ihre Streitkräfte zu schnell verlegbaren Eingreiftruppen um. Für die Bundeswehr bedeutet das einen geradezu endlosen Umstrukturierungsmarathon. Deutschland habe allen Grund fest zur Allianz zu stehen, so ein deutscher General im Hauptquartier in Brüssel, denn für Deutschland sei der Beitritt in die NATO so etwas wie die Rückkehr in den Kreis der Kulturnationen gewesen.