Die richtigen Gene schützen vor Malaria
2. Oktober 2015
Gerade bei kleinen Kindern kann eine schwere Malaria mit hohem Fieber schnell tödlich sein. Aber nicht alle Kinder, die sich mit Malaria infizieren, erkranken auch schwer. Schon lange vermuten Wissenschaftler, dass die Gene darüber mit bestimmen, wie lebensgefährlich der Zustand im Laufe der Erkrankung wird. Ein Forscherteam hat jetzt einen solchen Genort bestimmt.
Das Team, dessen Forschung der Wellcome Trust mitfinanziert hat, nahm das Erbgut von über 11.000 Kindern in Malaria-Endemiegebieten in acht afrikanischen Ländern unter die Lupe. Die eine Hälfte der Kinder war schwer an Malaria erkrankt, die andere Hälfte hatte noch nie eine schwere Malaria mit lebensbedrohlich hohem Fieber durchgemacht.
Die Wissenschaftler fanden eine Ansammlung von Genen, die mit dem Unterschied im Krankheitsverlauf korrelieren, erklärt Hauptautor Dominic Kwiatkowski vom Wellcome-Trust-Sanger-Institut im britischen Cambridge. "Genetische Variationen in dieser Region bieten einen guten Schutz gegen eine schwere Malaria und machen so den Unterschied, ob ein Kind lebt oder stirbt", so Kwiatkowski im Wissenschaftsjournal 'Nature'.
Andockstellen für Parasiten
Nach Angaben der Forscher ist die Gefahr, eine schwere Malaria zu entwickeln, vermutlich daran gekoppelt, wie leicht sich der Malariaparasit Eintritt in die roten Blutkörperchen verschaffen kann, in denen er sich vermehrt.
Der ausschlaggebende Ort im Erbgut liegt in der Nähe eines Clusters von Genen, die für eine Eiweißklasse kodieren, die sich Glycophorine nennen. Diese Eiweiße bilden den Rezeptor, an den der Malariaparasit andockt. Kwiatkowski nennt die Eiweiße die "Torhüter für die Eindringmaschinerie der Malariaparasiten."
Die Genvariante liegt allerdings nicht direkt an diesem Cluster, sondern nur sehr nahe dran. Steffen Borrmann vom Institut für Tropenmedizin am Universitäts-Klinikum Tübingen hält die Studie und ihre Schlußfolgerung daher für "recht vage" und "spekulativ".
Nicht überall gleich stark
Eine ganz bestimmte Variante des identifizierten Gens fand sich vor allem in solchen Kindern, die bisher nicht an schwerer Malaria erkrankt sind. Vor allem Kinder in Kenia trugen diese Variante in sich. Sie reduzierte bei ihnen das Risiko, an schwerer Malaria zu erkranken, um ein Drittel.
In anderen Ländern war der Effekt weniger stark, aber durchaus noch vorhanden, schreiben die Forscher. Sie vermuten, dass unterschiedliche genetische Varianten des Malaria-Parasiten in unterschiedlichen Regionen Afrikas dafür verantwortlich sind, dass die gleiche Genvariation nicht alle Kinder gleich gut schützt.
Was damit aber auch klar wird: Das Gen schützt nicht zuverlässig zu 100 Prozent vor einer schweren Malaria, sie erniedrigt lediglich - statistisch gesehen - das Risiko, eine zu bekommen.
Viele Grundlagenforscher sind kritisch, wenn es um genetische Studien wie diese geht. Oft führen Kritiker das Beispiel von den Störchen an: Seit es weniger Störche gibt, gehen auch die Geburten in den Industrieländern zurück. Aber eine Korrelation alleine sei eben noch keine kausale Ursache: Daraus ließe sich nicht schließen, dass Störche die Kinder bringen.
Co-Evolution
Dass das Erbgut mitbestimmt, wer an Malaria erkrankt, scheint allerdings sicher zu sein. Schon lange ist bekannt, dass Menschen, die das Gen für die Sichelzellanämie in sich tragen, viel weniger häufig Malaria bekommen. Die Krankheit der Sichelzellanämie geht mit einem mutierten roten Blutfarbstoff einher. Es bilden sich sichelförmige rote Blutkörperchen; diese können ihre Funktion, Sauerstoff zu transportieren, nicht richtig wahrnehmen. Die Patienten erleiden lebensbedrohliche Durchblutungsstörungen.
Aber nur wer auf beiden Chromosomen - dem von Vater und von Mutter - die Genvariante für Sichelzellen trägt, erkrankt an Sichelzellanämie. Bei Menschen, die die Variante nur auf einem Chromosom haben, bricht die Krankheit im Regelfall nicht aus - und sie erkranken weniger leicht an Malaria. Warum genau, ist bis heute nicht sicher geklärt. Diese Menschen haben durch das veränderte Gen einen Evolutionsvorteil - eben das ist der Grund, warum sich diese Genvariante in der Bevölkerung hält und nicht bereits verschwunden ist. Vor allem in Malariaendemiegebiten ist die Genvariante sehr häufig.
Menschen und Malaria-Parasiten haben sich im Laufe der Evolution demnach immer wieder aneinander angepasst, erläutern die Autoren der Studie. Jetzt glauben sie, einen weiteren Genort gefunden zu haben, der eine Form der Malariaresistenz bewirken kann. "Der nächste Schritt ist es herauszufinden, wie sich diese Erkenntnisse in der öffentlichen Gesundheitspflege nutzen lassen", ergänzt Co-Autor Ogobara Doumbo von der Universität von Bamako in Mali.