Die Trauerfeier in Erfurt
3. Mai 2002Viel politische Prominenz war unter den Trauergästen, zu denen natürlich auch die Angehörigen der Opfer und die Schüler des Gymnasiums zählten.
Der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel erinnerte an die Opfer und sprach den Angehörigen aber auch den Überlebenden und den Helfern sein Mitgefühl aus. Es sei eine besondere Tragik, sagte er, dass so eine schreckliche Tat ausgerechnet in einer Schule passiert ist. Vogel dankte für die Solidarität und die Beileidsbekundungen, die Erfurt in der vergangenen Woche aus der ganzen Welt erreicht hätten. Und bei allem Leid gebe es auch Hoffnung, denn das furchtbare Geschehen habe die Menschen zusammen gebracht: "Die Botschaft von Erfurt heißt: Mitmenschlichkeit ist in Deutschland keine verloren gegangene Tugend."
Jeder muss sich um den anderen kümmern
Bundespräsident Johannes Rau appellierte in seiner Traueransprache an die Verantwortlichkeit des Einzelnen. Man könne nicht den Medien allein die Schuld geben an dem Massaker. Viele Mitschüler und Nachbarn von Robert hätten gesagt, dass sie ihn eigentlich nicht sehr gut kannten. Und genau das, so Rau, sei das Problem – man lebe miteinander aber kenne sich nicht mehr richtig und kümmere sich nicht umeinander. Doch genau das sei nötig, so Rau, "wenn unsere Familien, unsere kleinen Gemeinschaften, unsere Schulen, unsere Betriebe, unsere Vereine zusammenhalten sollen".
Am Donnerstag hatte sich die Familie des Täters in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt und geschrieben, sie seien hilflos, verzweifelt und in Gedanken bei den Familien der Opfer. Und sie fragten sich, woher der Hass und die Verzweiflung von Robert kamen. Für sie hatte der Bundespräsident Worte des Trostes: "Ich möchte ihnen sagen: Was immer ein Mensch getan hat, er bleibt ein Mensch."
Dank an die Lehrer
Stellvertretend für ihre Kameradinnen und Kameraden sprach eine Schülerin der 12. Klasse des Gutenberg-Gymnasiums. Sie beschrieb ihre Schule als einen familiären Ort, an dem sich alle geborgen gefühlt hätten. Sie erinnerte vor allem auch an die Lehrer, die vor einer Woche in ihrer Schule gestorben sind, und an die, die ihnen auch heute noch beistehen.
Um zwölf Uhr gedachten die rund 100.000 Trauernden in einer Schweigeminute der Toten, danach schloss sich ein ökumenischer Gottesdienst an. Und der ging zu Ende mit dem Läuten der mächtigen Glocke des Erfurter Doms, der Gloriosa, die sonst nur zu hohen kirchlichen Festen zu hören ist.