"Die Welt braucht Gott"
11. September 2006Zu den Teilnehmern der Sonntagsmesse (10.9.06) bei strahlendem Sonnenschein gehörten neben Bundespräsident Horst Köhler auch mehr als 100 Kardinäle und Bischöfe aus zahlreichen Ländern. Schon beim Eintreffen auf dem Messegelände und der anschließenden Fahrt im Papamobil durch die Reihen der Gläubigen war der Papst mit großem Beifall, Jubel und "Benedetto"-Rufen begrüßt worden. Die ersten Gläubigen hatten sich bereits um Mitternacht vor den Toren der Neuen Messe in München-Riem eingefunden.
Aids "von den Ursachen bekämpfen"
Was über Gott gesagt wird, scheine nicht mehr in unsere Zeit passend, beklagte Joseph Ratzinger in seiner ersten Predigt während seines sechstägigen Besuches in Bayern. Indirekt kritisierte Benedikt XVI. die katholische Kirche in Deutschland, die sich in Afrika und Asien mehr für soziale als für missionarische Projekte einsetze. Er nannte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Immunschwächekrankheit Aids, die nur über die Maßstäbe des Evangeliums "von den tiefen Ursachen her" bekämpft werden könne. Das Soziale und das Evangelium seien nicht zu trennen, betonte der Papst.
Die westliche Welt habe in ihrer Vernünftigkeit den Glauben an Gott verloren, sagte Benedikt XVI. Die Völker Afrikas und Asiens bewunderten die technischen Leistungen und die Wissenschaft des Westens. "Aber sie erschrecken zugleich vor einer Art von Vernünftigkeit, die Gott total aus dem Blickfeld des Menschen ausgrenzt und dies für die höchste Art von Vernunft ansieht, die man auch ihren Kulturen aufdrängen will."
"Wo wir den Menschen nur Kenntnisse bringen, Fertigkeiten, technisches Können und Gerät, bringen wir zu wenig", sagte Ratzinger. "Dann treten die Techniken der Gewalt ganz schnell in den Vordergrund und die Fähigkeit zum Zerstören, zum Töten wird zur obersten Fähigkeit, um Macht zu erlangen, die dann irgendwann einmal das Recht bringen soll und es doch nicht bringen kann."
Er sprach vom Zynismus, der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansehe und Nutzen für zukünftige Erfolge der Forschung zum letzten ethischen Maßstab erhebe. "Die Welt braucht Gott. Wir brauchen Gott", sagte der Papst am Ende seiner Predigt.
Dank für Spenden
Der Papst dankte den Katholiken in Deutschland für ihre Spendenfreudigkeit den Kirchen in ärmeren Ländern gegenüber. Er appellierte aber zugleich an sie, die Evangelisierung zu unterstützen, "dass der Gott Jesu Christi bekannt, geglaubt, geliebt werden, die Herzen umkehren muss, damit auch die sozialen Dinge vorangehen".
Bitte an Eltern und Lehrer
Bei einer Vesper im Münchner Dom hat der Papst die anwesenden Kommunionkinder zu einem Leben in der Kirche ermutigt. Die Eltern hielt er an, ihren Kindern glauben zu helfen, mit ihnen in die Kirche zur sonntäglichen Eucharistiefeier zu gehen und gemeinsam zu beten. Durch die Eucharistie, das Sakrament der Kommunion, bilde sich eine Gemeinschaft über alle Grenzen und Sprachen hinweg. Dies sei die weltweiten Kirche, "in der Gott mit uns redet und lebt", sagte der Papst.
An die Religionslehrer richtete Benedikt die Bitte, die Frage nach Gott in der Schule gegenwärtig zu halten. Es reiche nicht, wenn die Kinder und jungen Menschen in der Schule nur Kenntnisse und technisches Können, aber keine Maßstäbe erlernten, die der Kenntnis und dem Können Richtung und Sinn gäben. Die Seelsorger und die Helfer in den Pfarrgemeinden bat er, alles zu tun, damit die Pfarrei eine innere Heimat für die Menschen werde "eine große Familie, in der wir zugleich die noch größere Familie der weltweiten Kirche erleben". Alle drei Lernorte Familie, Schule, Pfarrgemeinde gehörten zusammen und helfen, zu den Quellgründen des Lebens zu finden, wie der Papst sagte. (sams)