Davutoglus Zeit läuft ab
4. Mai 2016Nach Spekulationen über einen bevorstehenden Rücktritt des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu hat die islamisch-konservative Regierungspartei AKP nach Berichten einen außerordentlichen Parteikongress angekündigt. Das genaue Datum werde noch bekanntgegeben, meldete der Sender CNN Türk. Voraussichtlich werden die Parteianhänger demnach Ende Mai oder Anfang Juni zusammenkommen.
Davutoglu war am Abend mehr als anderthalb Stunden zu einem Gespräch bei Staatschef Recep Tayyip Erdogan im Präsidentenpalast gewesen. Über den Inhalt des Gesprächs wurde nichts bekannt. Türkische Kommentatoren hatten nach dem Treffen einen Rücktritt Davutoglus erwartet. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, Davutoglu werde am Donnerstagmorgen eine Pressekonferenz abhalten. Wegen der Spannungen knickte der türkische Aktienleitindex zeitweise um 3,5 Prozent ein.
Nach Einschätzung des "Hürriyet"-Kolumnisten Abdülkadir Selvi will die AKP-Führung den Ministerpräsidenten bei dem bevorstehenden Parteitag nicht erneut als Vorsitzenden nominieren. Gemäß den Statuten der Partei müsste er dann auch sein Amt als Regierungschef räumen.
Laut der Zeitung "Cumhuriyet" werden als mögliche Nachfolger Verkehrsminister Binali Yildirim und der Schwiegersohn Erdogans - Energieminister Berat Albayrak - gehandelt.
Schlag gegen den Vorsitzenden
Türkische Medien spekulieren schon länger über ein Zerwürfnis zwischen Erdogan und Davutoglu. In der vergangenen Woche hatte die AKP-Parteiführung die Befugnisse Davutoglus gegen dessen Willen eingeschränkt, was türkische Kolumnisten als Schlag gegen den Parteichef werteten.
Davutoglu hatte das Amt des Ministerpräsidenten und den Parteivorsitz der islamisch-konservativen AKP von Erdogan übernommen, nachdem dieser im Sommer 2014 vom Volk zum Staatspräsident gewählt worden war. Die beiden sind laut Medienberichten unter anderem wegen einer geplanten Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems unterschiedlicher Meinung.
Die Änderung würde Erdogan mehr Macht verleihen. Um ein Verfassungsreferendum über das Präsidialsystem abzuhalten, benötigt die AKP eine 60-Prozent-Mehrheit. Dazu fehlen der Partei zurzeit 13 Sitze im Parlament.
Umstritten ist auch der außenpolitische Kurs der Türkei. Hauptantreiber der Flüchtlingsvereinbarung der EU mit der Türkei war Davutoglu. Ein hochrangiger EU-Vertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters. "Es scheint so, dass Davutoglu die Türkei tatsächlich in die EU führen will, Erdogan ist da nicht so leidenschaftlich."
Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hatte Davutoglu am Dienstag angedeutet, dass er nicht um jeden Preis an seinem Amt festhalten werde. Er werde eher sein "Ego mit Füßen treten", als dem Wohle der Partei zuwiderhandeln, sagte er demnach bei einer Rede in Ankara.
stu/ml (dpa, rtr)