Diese Baustellen warten auf neue/n DFB-Chef/in
3. April 2019Der neue Mann oder die neue Frau an der Spitze des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) ist nicht zu beneiden. Denn er oder sie soll zunächst einmal alle Charaktereigenschaften mitbringen, die man dem jetzt zurückgetretenen unbeliebten Präsidenten Reinhard Grindel absprach: Glaubwürdigkeit und Compliance (sprich regelkonformes und ethisch korrektes Verhalten), Integrations-, Kommunikations- und Teamfähigkeit, souveränes Krisenmanagement.
Der neue DFB-Chef oder die neue Chefin wird auf dem DFB-Bundestag am 26./27. September in Frankfurt am Main gewählt. Wie meist nach Rücktritten wird zunächst einmal heftig spekuliert, wer denn die Nachfolge antreten könnte. Immer wieder werden die Ex-Nationalspieler Philipp Lahm und Christoph Metzelder genannt, doch auch andere Namen fallen: Ex-Nationaltrainerin Silvia Neid, die Anti-Korruptionsexpertin Sylvia Schenk, Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, Ex-Teamchef Rudi Völler, DFB-Direktor Oliver Bierhoff, DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius, Ex-Innenminister Thomas de Maizière ...
Wer auch immer am Ende den Hut in den Ring wirft, muss sich bewusst sein, dass viele Baustellen abzuarbeiten sind. Hier sind die wichtigsten:
Strukturreform des DFB
Wenn gleich drei DFB-Präsidenten in Serie vorzeitig den Hut nehmen (müssen), liegt das Problem eigentlich auf der Hand: Der Verband bedarf dringend einer Reform. Schlanke Strukturen müssen her und Fachleute, die der zunehmenden Komplexität des Fußballgeschäfts gewachsen sind.
Entfremdung von den Fans
Nicht umsonst vergeht so gut wie kein Bundesliga-Spiel, ohne dass aus den Fankurven Parolen gegen den DFB zu hören sind oder entsprechende Banner gezeigt werden. Durch die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs fühlen sich die Fans abgehängt. Unter anderem machen ihnen die steigenden Eintrittspreise zu schaffen, ebenso die Anstoßzeiten, die auf maximalen Gewinn zielen, jedoch nicht auf die Arbeitszeiten "normaler" Fußballanhänger Rücksicht nehmen. Auch die extreme Vermarktung der DFB-Nationalmannschaft hat zu der Entfremdung mit beigetragen.
Amateurfußball fühlt sich vernachlässigt
Nicht nur zu den Fans, auch zu den Amateurvereinen hat der DFB den Draht verloren. Die kleinen Vereine beklagen, dass der DFB sein Augenmerk fast ausschließlich auf den Profifußball lege und die Amateure lediglich gängele. Sie fordern u.a. höhere Finanzspritzen, insbesondere in strukturschwachen Regionen.
Nachwuchs droht den Anschluss zu verlieren
Deutschland hat ein Fußball-Nachwuchsproblem. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen wider: Das U19-Team des DFB scheiterte in der EM-Qualifikation, die U17 löste das EM-Ticket lediglich als einer der besten Gruppenzweiten. In den UEFA-Vereinswettbewerben der Junioren spielen die Nachwuchsteams der Bundesligisten quasi keine Rolle. Experten beklagen, dass bei der Ausbildung der Talente falsche Prioritäten gesetzt werden.
Klare Kante auf internationaler Ebene
Der DFB muss sich gegenüber dem Kontinentalverband UEFA und dem Weltverband FIFA eindeutiger positionieren als bisher. Die Aufblähung der WM-Turniere, die geplanten Reformen der Klub-WM, der Nations League und auch der Champions League hätten massive Auswirkungen auch auf den deutschen Fußball. Dem DFB muss klar sein: Er vertritt hier nicht nur die Interessen der deutschen Profiklubs und der Berufsfußballer, sondern auch jene der Amateurkicker und der Fußballfans.
Großprojekte stehen an
Für Anfang Mai ist der Spatenstich für die neue DFB-Akademie in Frankfurt geplant. Dort soll bis 2021 ein "Kompetenzzentrum für den gesamten deutschen Fußballs" entstehen, wie es der jetzt zurückgetretene DFB-Chef Grindel formulierte. Unter anderem sollen dort künftig auch die DFB-Teams trainieren. Der DFB veranschlagt Baukosten von maximal 150 Millionen Euro. Ein weiteres Großprojekt ist die Europameisterschaft 2024 in Deutschland, die vorbereitet werden muss.
Aufklärung der Affäre um die WM 2006
Allen Versprechungen zum Trotz hat der DFB in den vergangenen drei Jahren unter Grindel wenig dazu beigetragen, Licht ins Dunkel um die dubiose Vergabe der WM 2006 an Deutschland zu bringen. Der Verband agierte nicht, sondern reagierte nur: auf Ermittlungen der Justiz oder auf Presseberichte über die Affäre.