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Digitaler Darwinismus im Internet

Kay-Alexander Scholz27. März 2015

Europa klagt über unfairen Wettbewerb im Internet. Doch lässt sich der Rückstand gegenüber US-Branchenriesen wie Google nur dadurch erklären? Auf einer Konferenz in Berlin kam es zum Schlagabtausch der Big Player.

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Google-Firmenschild: Symbolbild Internet-Wettbewerb (Foto: DW)
Bild: DW/M. Pringle

Mathias Döpfner fand deutliche Worte: "Monopole werden geschützt statt Wettbewerb zu schützen. Der momentane Rechtsrahmen wird in keinem Maße den neuen Bedingungen gerecht", erklärte der Vorstandsvorsitzende des Axel-Springer-Verlags auf der 17. internationalen Konferenz des Bundeskartellamts in Berlin.

Deutschlands wohl wichtigster Verleger trimmt seinen Konzern seit Jahren auf das Geschäft mit dem Internet. Doch Döpfner beklagt unfaire Bedingungen. Mit einem Marktanteil von 90 Prozent in Europa sei zum Beispiel Google keinerlei Begrenzungen ausgesetzt. Der Springer-Verlag hingegen habe bei einem deutlich geringerem Marktanteil schon einiges vom Kartellamt über sich ergehen lassen müssen.

Bei Google stoßen diese Beschwerden auf Unverständnis. Die derzeitigen Wettbewerbsregeln funktionierten "sehr gut", meinte Vize-Präsident Kent Walker. Wichtig seien vielmehr ständige Analysen, damit das Wettbewerbsrecht "flexibel und wissenschaftlich" bleibe.

Der Google-Manager warf Döpfner indirekt eine gewisse Wehleidigkeit vor. Es gebe eine "natürliche Tendenz immer auf den Wettbewerber zu schauen und sich selbst als Benachteiligten" zu sehen, merkte Walker an. Tatsächlich aber stehe im Internet jeder mit jedem im Wettbewerb. Walker wollte es Döpfner also nicht durchgehen lassen, die Schuld bei anderen zu suchen.

Temporäre oder dauerhafte Monopole?

Einen ähnlich positiven Blick auf den Markt zeigte auch der Vertreter der britischen Wettbewerbsbehörde, Alex Chisholm. In seinem Heimatland sei der Anteil des Online-Handels mit 13 Prozent in Europa am höchsten, weil der Markt vergleichsweise wenigen Regeln unterworfen sei. Und: Im Internet gebe es nun einmal eine "natürliche Tendenz zur Monopolwirkung", so Chisholm.

Döpfner konnte der britischen Perspektive nicht folgen und mahnte grundsätzliche Fehler an. Kartellwächter hätten allein Umsatz und Profit im Blick. Doch bei vielen Internet-Firmen sei dies erst später das Ziel. Daten seien vielmehr die neue Währung im Internet und müssten demzufolge neben Umsatz und Profit als weiteres Kriterium in kartellrechtliche Entscheidungen einfließen.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer (Foto: dpa)
Kartellwächter müssen umdenken, fordert Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel SpringerBild: picture-alliance/dpa/Kumm

Döpfern bezog sich dabei auch auf Äußerungen seines Vorredners, Timotheus Höttges, dem Chef der Deutschen Telekom. Amazon und Zalando seien an der Börse so viel Wert, weil von den Kapitalmärkten die Gewinne der Zukunft honoriert würden, sagte Höttges. Zunächst gehe es um Wachstum und nicht schon um schwarze Zahlen. Denn Reichweite locke Werbekunden an.

Der nächste Schritt in Richtung Monopol seien dann Login-Effekte. Das heißt, der Wechsel zu anderen Anbietern werde erschwert. Dann würden neue Produkte angeboten, die mit alten verknüpft würden. "Alles aus einer Hand in einem geschlossenen System vermeintlich kostenlos", sei das Ziel. So würden dauerhaft geschützte und nicht temporäre Monopolmärkte entstehen.

Unterstützung im Weißen Haus

Google-Vertreter gehen im Weißen Haus aus und ein. Sie gelten in Washington inzwischen als Top-Lobbyisten. Wenig überraschend waren deshalb wohl auch die Ansichten der Vorsitzenden der Federal Trade Commission (FTC), Edith Ramirez, in Berlin. Grundsätzliche Änderungen im Kartellrecht seien nicht nötig.

Vorsitzende der Federal Trade Commission (FTC), Edith Ramirez. (Foto: Getty-Images
Für Edith Ramirez, Vorsitzende der Federal Trade Commission (FTC), gibt es keinen ÄnderungsbedarfBild: Richards/AFP/Getty Images

Selbst beim derzeit heiß diskutierten Thema Big Data brauche es keine neuen Fusionsleitlinien. Wenn Firmen Daten sammelten und verbinden würden, sage dies noch nichts darüber aus, ob das illegal oder marktschädigend sei, so Ramirez. "Big Data ist so dynamisch, da muss man immer sicher gehen, dass der gute Kreislauf von Innovation und Wettbewerb nicht geschädigt wird", begründete Ramirez das vorsichtige Vorgehen der US-Kartellwächter.

Technologischem Schwung keine Steine in den Weg legen

Doch mit dem anderen Blick auf die eigenen Chancen und der Rolle von Lobbyismus allein lassen sich die Unterschiede auf beiden Seiten nicht erklären. Unterschiedlich wird auch die Technik an sich bewertet.

Vor allem Technologie befördert Innovation - sagte der Google-Vertreter und nannte ein Beispiel aus der Internet-Geschichte: Breitband-Leitungen hätten damals das Browser-Monopol von Netscape zerstört, weil so Konkurrenzprodukte schnell herunterzuladen waren. Das sei damals ganz ohne Eingreifen der Wettbewerbshüter passiert, so Walker.

In den USA oder Groß-Britannien hält sich die Politik weitestgehend heraus. In Europa hofft man dagegen auf staatliche Entscheidungen. Doch die dauern meist sehr lange, vielleicht einfach zu lange für das dynamische Internet. Ein Beispiel ist die Europäische Datenschutzgrundverordnung, sie ist seit Jahren eine Dauerbaustelle auf EU-Ebene.

Margrethe Vestager: Die jetzigen Regeln reichen (Foto: Getty-Images)
Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb, will für Transparenz sorgenBild: Dunand/AFP/Getty Images

Die Äußerungen der EU-Kommissarin für Wettbewerbsrecht, Margrethe Vestager, lassen nicht auf mehr Dynamik hoffen. Um mögliche Hindernisse für den E-Commerce zu erkennen, kündigte Vestager eine europaweite "Sektor spezifische Fragebogenaktion" an. Erste Ergebnisse kündigte sie für Mitte 2016 an. Doch die Erfahrung lehrt, dass das Internet dann schon wieder ganz anders aussehen kann.