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Mehr Selbstbestimmung

26. Februar 2009

13 Jahre nach dem Krieg steht Bosnien noch immer unter internationaler Verwaltung. Immer wieder wird darüber diskutiert, wann das Land volle Souveränität bekommen soll. Auf einer Tagung in Berlin ging es auch darum.

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In Bosnien und Herzegowina gibt es gegensätzliche Meinungen, ob das Büro des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft (OHR) bald geschlossen werden soll. Zugleich werden Stimmen unabhängiger Fachleute laut, dass eine dauerhafte Stabilität, Entwicklung und Integration des Landes in die EU nur möglich sind, wenn die Zusammenarbeit zwischen Bosnien und der internationalen Gemeinschaft erfolgreich auf eine neue Grundlage gestellt werde. Dies zeigte auch eine von bosnischen Intellektuellen aller drei dort lebenden Ethnien bestimmten Diskussion in Berlin, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung im Februar veranstaltet wurde.

Mehr Mündigkeit für die Politiker

Künftig sollte nur Brüssel einen Beauftragten in Bosnien haben, so die Einschätzung des Sarajewoer Publizisten Ivan Lovrenovic: „Dieser künftige Repräsentant der Europäischen Union sollte mit einem genau programmierten Mandat und Befugnissen ausgestattet werden und auftreten als Freund und Vermittler mit den besten Absichten.“ Seine Hauptaufgabe sollte darin bestehen, die politische Landschaft vor Ort zu beleben und gleichzeitig das aktuell bestehende und schlecht aufgebaute duale Regierungssystem zu überwinden.

Die internationale Gemeinschaft könne und müsse in höherem Maße die Verantwortung auf die einheimische politische Elite übertragen, meint Lovrenovic. In der aktuellen Situation würden die bosnischen Politiker im Hinterkopf behalten, dass es noch eine höhere Instanz gebe, die am Ende eine endgültige Entscheidung fällen könne, wenn ihr die der Bosnier nicht passe. „So bleiben die Politiker in Bosnien-Herzegowina politisch unmündig“, meint Lovernovic.

Verfassungsreformen in machbaren Schritten

Die Idee eines europäischen Vermittlers mit einem klaren Mandat unterstützt auch die Expertin für Verfassungsrecht, Sevima Sali-Terzic. Gerade der gemeinsame Wunsch nach einer EU-Integration würde alle Kräfte bündeln, um Bosnien-Herzegowina in einen modernen und funktionalen Staat umzuwandeln. Dazu lasse auch die Verfassung, die nach dem Dayton-Friedensabkommen entstanden ist, ausreichend Raum. „Wir haben Grundlagen, die wir nicht in ausreichendem Maße genutzt haben, wir haben sie in der Praxis nicht mit Leben gefüllt. Wenn wir heute von Reformen oder Verfassungsänderungen sprechen, müssen wir diese Grundlagen bestätigen und sehen, was wir noch tun können, damit der Staat funktioniert.“

Sali-Terzic spricht sich für Verfassungsänderungen in kleinen, aber machbaren Schritten aus. Von einem EU-Vertreter erwatet sie, dass er eine Lehre aus der Vergangenheit zieht. So habe den Institutionen auf dem Reformweg häufig die Unterstützung des OHR gefehlt, die sie benötigt hätten, um die von ihnen geforderte Verantwortung übernehmen zu können. „Das ist paradox und kann nicht fortbestehen. Die internationale Gemeinschaft muss die staatlichen Institutionen so unterstützen, dass alle Gespräche, die den Staat Bosnien und Herzegowina betreffen, auch dort geführt werden.“

Stärkere Zivilgesellschaft gefordert

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Svetlana Cenic aus Banja Luka kritisiert das Engagement der internationalen Gemeinschaft, weil sie die Geschicke von Bosnien und Herzegowina von oben nach unten lenke. „Die bisherige Praxis des OHR verlief so, dass die bosnischen Politiker Entscheidungen fällen mussten, die ihnen zuvor als quasi Vorschläge unterbreitet wurden. Daraufhin sollten sie sich abstimmen und zu einem Konsens gelangen. Wenn sie sich nicht auf eine Lösung einigen konnten, folgten Sanktionen des OHR. Unterdessen verlor die Öffentlichkeit jedoch den Überblick über die politischen Ereignisse.“

Cenic zufolge kann allerdings die Zukunft von Bosnien und Herzegowina nur von unten, das heißt vom Volk aufgebaut werden. Daher schlägt Cenic vor, die Zivilgesellschaft zu stärken und die interethnische wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern, die als Grundlage und Beispiel auch für ein politisches Zusammenwachsen der drei in Bosnien beheimateten Ethnien dienen soll. „Denn die Wirtschaft hat uns immer verbunden. Auch im Krieg haben unsere Führer Waffen geschmuggelt und untereinander damit gehandelt. Das heißt, gemeinsame Interessen verbinden die Menschen. Aber bei dieser unfähigen Führung wird uns wohl nur der Hunger verbinden“, sagt Cenic enttäuscht.

Goran Goic