Sieg der Opposition bei Wahl in Tschechien
9. Oktober 2021Bei der Parlamentswahl in Tschechien hat Ministerpräsident Andrej Babis die ihn tragende Mehrheit der Abgeordneten verloren. Von den 200 Sitzen im Unterhaus des Parlaments dürften nach dem vorläufigen Ergebnis mindestens 108 Sitze im Abgeordnetenhaus in Prag an die Opposition gehen. Das konservative Wahlbündnis Spolu ("Gemeinsam") lag demnach bei 27,8 Prozent der Stimmen, die Allianz von Piraten- und Bürgermeisterpartei bei 15,6 Prozent. "Der Wechsel ist da, wir sind der Wechsel", sagte Spolu-Spitzenkandidat Petr Fiala, der Anspruch auf die Bildung einer Mehrheitsregierung erhob.
Die ANO von Regierungschef Babis kam nach letzten Ergebnissen nur auf 27,1Prozent. während die beiden mit ihr verbündeten Parteien einen Wiedereinzug ins Parlament verpassten. Babis räumte seine Niederlage ein und gratulierte Fiala zu einem "tollen Endspurt".
Babis akzeptiert Niederlage
"So ist das Leben, wir verstehen und akzeptieren das", sagte der Ministerpräsident. Zugleich warf er der Opposition eine "Schmutzkampagne" vor und ließ sich eine Hintertür offen. Sollte ihn Präsident Milos Zeman dennoch mit der Regierungsbildung beauftragen, werde er verhandeln, gab er bekannt. Zeman gilt als wohlwollend gegenüber Babis.
Die Wahllokale waren von Freitag bis Samstagmittag geöffnet. Babis, der für eine zweite Amtszeit angetreten war, steht wegen seiner Corona- und Schuldenpolitik in der Kritik. Zudem wirft die Opposition dem Gründer des Konzernimperiums Agrofert Interessenkonflikte vor. Wenige Tage vor der Abstimmung waren in Zusammenhang mit der Veröffentlichung der sogenannten Pandora Papers zudem persönliche Geschäfte des Regierungschefs in Steueroasen bekanntgeworden. Der 67-jährige Milliardär bestreitet ein Fehlverhalten.
Im Wahlkampf hatte Babis versprochen, weiter die Löhne, Gehälter und Pensionen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. An der großzügigen Ausgabenpolitik aus der Corona-Zeit hatte Babis festgehalten, obwohl sich die Lage im Land entspannt hat. Die Opposition warf ihm in der Pandemie ein chaotisches Krisenmanagement vor. Tschechien hat mit mehr als 30.000 Corona-Toten einen der europaweit höchsten Anteile an pandemiebedingten Sterbefällen an seiner Bevölkerung.
Europafreundlicher Wahlsieger
Mit einem Sieg der Opposition könnte sich das Verhältnis Tschechiens zur EU verbessern, weil zumindest der Streit um Interessenskonflikte aus der Welt wäre. Eine Niederlage für Babis, der im Wahlkampf gegen Einwanderung und gegen die EU ins Feld gezogen ist, würde das Land zudem politisch von Ungarn und Polen entfernen, die mit Brüssel in juristischen Fragen rund um das Demokratieverständnis über Kreuz liegen.
ml/ehl/gri (rtr, dpa)