Künstler aus Jakarta leiten documenta 15
22. Februar 2019Ruangrupa, so heißt die Gruppe, ist ein Zusammenschluss von Künstlerinnen und Kreativen aus dem indonesischen Jakarta. Das im Kern zehnköpfige Kollektiv gründete sich im Jahr 2000, betreibt einen Kunstraum in Jakarta-Süd und realisiert Ausstellungen, Festivals, Publikationen und Rundfunkformate. Ruangrupa sei "nachweislich in der Lage, vielfältige Zielgruppen – auch solche, die über ein reines Kunstpublikum hinausgehen - anzusprechen und lokales Engagement und Beteiligung herauszufordern", begründete die Generaldirektorin der documenta GmbH und des Museum Fridericianum, Sabine Schormann, am Freitag in Kassel die einstimmige Entscheidung von Findungskommission und Aufsichtsrat.
"Ruangrupa" ist indonesisch und heißt übersetzt so viel wie "Raum der Kunst" oder "Raum-Form". "Ihr kuratorischer Ansatz fußt auf ein internationales Netzwerk von lokalen, Community-basierten Kunstorganisationen", erklärte das documenta-Management. Rarid Rakund und Ade Darmawan formulierten jetzt als Vertreter von ruagrupa ihr Ziel für die documenta 15: "Wir wollen eine global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform schaffen, die über die 100 Tage der documenta 15 hinaus wirksam bleibt."
Die erste documenta im Jahr 1955 sei angetreten, um Wunden des Krieges zu heilen. "Warum sollte man nicht versuchen, das Augenmerk auf heutige Verletzungen zu richten", fragen Rakund und Darmawan, und meinen damit solche, die ihren Ursprung im Kolonialismus, im Kapitalismus oder in patriarchalen Strukturen haben. "Wir sind gespannt, welches konkrete Projekt ruangrupa für und aus Kassel heraus entwickeln wird", sagte Generaldirektorin Schormann.
Nerven lagen blank
Zehn mögliche Kandidaten hatte die achtköpfige Findungskommission vor Monaten aufgefordert, ihren Hut in den Ring zu werfen. Da lagen die Nerven blank: Denn nach der Ausgabe von 2017, die zwar mit einem neuen Besucherrekord endete, hingen schwarze Wolken über dem Weltkunstausstellung. Die Macher standen vor einem gewaltigen Schuldenberg, Stadt und Land mussten ein Finanzloch von mehr als sieben Millionen Euro stopfen. Das kostete documenta-Geschäftsführerin Annette Kulenkampff den Job. Seit Herbst 2018 führt nun Sabine Schormann die Geschäfte.
Der künstlerische Leiter der documenta 14, der Pole Adam Szymczyk hatte die Kunstschau gleichberechtigt an zwei Orten organisiert- neben Kassel auch im griechischen Athen. Das trieb die Kosten in die Höhe. Wegen des Defizits ermittelte zeitweise die Staatsanwaltschaft Kassel – am Ende ergebnislos.
Dann drohte die Kasseler Lokalpolitik, die documenta an die kurze Leine zu nehmen. Ihre Gemeinnützigkeit stand auf dem Spiel. Dagegen gingen Museumsleute und Künstler auf die Barrikaden, unter ihnen Chris Dercon, damals noch Intendant der Berliner Schaubühne, der Filmemacher Alexander Kluge und die einstige documenta-Kuratorin Ruth Noack. In offenen Briefen warnten sie davor, das namhafte Kunstevent könnte so in die Provinzialität abgleiten. Die Stadtpolitik hatte ein Einsehen.
Aufatmen in Kassel
Auch inhaltlich musste sich Szymczyk Kritik gefallen lassen. "Zu didaktisch und zu schwer verständlich" urteilten Kritiker über Szymczyks documenta. Andere fanden sie "zu politisch". Daneben sei das Ästhetische auf der Strecke geblieben. Ungeachtet dessen lockte die documenta 14 mehr als eine Million Besucher an, so viele wie nie zuvor.
So erklärt sich nun das hörbare Aufatmen im Kasseler Rathaus. Gleichwohl knüpfen sich an die künstlerische Leitung von ruangrupa große Hoffnungen: Damit die Kunstwelt auch künftig nach Kassel pilgert und Stadt und Umland Millionenumsätze beschert, soll der 5-Jahres-Turnus beibehalten werden. Der Etat der documenta 15 soll, wie es heißt, aufgestockt werden, er betrug zuletzt 34 Millionen Euro.
Die documenta 15 findet vom 18. Juni bis 25. September 2022 statt.