Kunst in Kassel
9. Januar 2007Gut fünf Monate vor dem Start der so genannten Weltkunstausstellung starteten am Montag (8.1.07) Spezialmaschinen mit dem Abtragen einer Rasenfläche in dem französischen Garten in der Kasseler Innenstadt. Bis Ende April soll vor der barocken Orangerie in der Karlsaue ein Glasbau entstehen, der auf 12.000 Quadratmetern drei Viertel der documenta-Objekte aufnehmen soll. Nach der am 16. Juni beginnenden 100-Tage-Ausstellung (bis 23.9.) soll das Gebäude komplett wieder abgerissen werden.
Künstlerisch ist alles geklärt
documenta-Chef Roger Buergel räumte ein, dass die Finanzierung des Neubaus noch ungeklärt sei. "Die documenta wird aber stattfinden. Und wenn nur die Asphaltdecke für den Glasbau da ist, werden wir eben auf diesem Parkplatz ausstellen." Künstlerisch sei die Schau bereits fertig. Er sei sehr optimistisch, auch die auf drei Millionen Euro geschätzten Kosten für das Bauwerk durch Sponsorengelder aufbringen zu können, sagte Buergel unmittelbar vor seinem Abflug nach New York, wo er Gespräche mit potenziellen Förderern führen will.
Auch documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld betonte, dass die documenta "exakt im Zeitplan" liege. "Wir müssen am 16. Juni irgendwie den Bundespräsidenten da rein lassen und das werden wir auch tun." Leifeld kündigte an, dass die documenta einen dritten Hauptsponsor gefunden habe. Wer das sei, werde aber auf Wunsch des Unternehmens erst im Februar mitgeteilt.
Sponsoring ist gesichert
Die documenta hat einen 19-Millionen-Euro-Etat, der zur Hälfte aus öffentlichen Geldern gedeckt ist. Die andere Hälfte muss die GmbH durch Eintrittspreise, Vermarktung und Sponsoren erwirtschaften. Hinzu kommt ein Sonderhaushalt von etwa vier Millionen Euro für den Neubau und andere Projekte. Diese Summe muss komplett von Sponsoren erbracht werden.
Die documenta findet seit 1955 alle vier, seit 1972 alle fünf Jahre in Kassel statt und gilt als weltweit bedeutendste Ausstellung moderner Kunst. In diesem Jahr werden wie 2002 etwa 650.000 Besucher erwartet.
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Die Kasseler Weltkunstschau bekommt in diesem Sommer einige kleine Mitbewerber - unter anderem in Hannover: Dort wollen drei Museen mit der Überblicksausstellung "Made in Germany" junge in Deutschland arbeitende Künstler präsentieren und bewusst von der Magnetwirkung der documenta profitieren. Parallel zum Kasseler Kunstspektakel buhlt außerdem die "Skulptur Projekte Münster" um die Gunst der Kunstliebhaber.
"Wir wollen uns nicht gegen die documenta positionieren und nicht als neue documenta präsentieren", sagt die Sprecherin der "Made in Germany"-Ausstellung (25. Mai bis 26. August), Beate Anspach. Vielmehr sei das Projekt als Ergänzung zu Kassel geplant. "Unser Interesse ist es, die internationale Kunstszene zu erreichen." Erstmals haben für die Ausstellung die drei modernen hannoverschen Kunstmuseen - das Sprengel-Museum, die Kestnergesellschaft und der Kunstverein Hannover - eine Zusammenarbeit vereinbart.
Deutsche und ausländische Künstler
"Wir wollen junge Künstler zeigen, die in Deutschland arbeiten", sagt der Direktor der Kestnergesellschaft, Veit Görner. "Made in Germany" soll zeigen, wie die nächste Generation aussehen könnte. 50 Künstler sowohl deutscher als auch ausländischer Herkunft werden ihre Arbeit präsentieren. "Warum ist gerade Deutschland und vor allem Berlin zunehmend Anziehungspunkt für Künstler aus dem Ausland?", ist eine der Fragestellungen.
Wenn es mit der Ausstellung gelinge, ein Schlaglicht auf die Kunstszene zu werfen, sei eine Wiederholung, beispielsweise im Fünfjahresrhythmus der documenta denkbar, meint Görner. Ähnlich wie bei der documenta ist außerdem ein umfangreicher zweisprachiger Katalog (deutsch/englisch) geplant. Dieser solle "das Kunstland Bundesrepublik erfassbar machen".
Hoffen auf documenta-Effekt
Zur Auswahl der Teilnehmer seien 100 Künstler begutachtet und zumeist auch in ihren Ateliers besucht worden, sagt Görner. Das Augenmerk habe dabei nicht auf den bereits in den 90er-Jahren bekannt gewordenen Künstlern gelegen, sondern auf der folgenden Generation, die an der Grenze stehe, sich einen Namen zu machen. Auf der vorläufigen Teilnehmerliste stehen unter anderem der Brite Jonathan Monk, der Däne Jeppe Hein, Ingar Dragset aus Norwegen sowie die deutschen Künstler Björn Melhus, Daniel Roth und Christoph Keller. Arbeitsort der ausgewählten Künstler ist zumeist Berlin, aber auch Hamburg, Leipzig oder München.
Zu der "Made-in-Germany"-Ausstellung würden 35.000 bis 40.000 Besucher erwartet, sagt Kunstvereins-Chef Stephan Berg. "Wir müssen darauf setzen, dass der documenta-Effekt greift." Hannover bilde mit Kassel und der Skulpturenschau in Münster eine Achse, die für Besucher interessant sei. Viele documenta-Besucher reisten ohnehin über den Flughafen Hamburg an, so dass Hannover auf dem Weg liege. (mas)