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Draghi wird nicht vom Kurs abweichen

Zhang Danhong20. April 2016

Die Kritik an der EZB-Geldpolitik wird hierzulande immer lauter. Dennoch wird Mario Draghi die Zügel weiter locker lassen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass er ein Italiener ist.

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Deutschland EZB Pressekonferenz Mario Draghi
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

"Einen weiteren Draghi können wir uns nicht leisten", sein Nachfolger müsse "ein Deutscher sein, der sich der Tradition der Währungsstabilität der deutschen Bundesbank verpflichtet fühlt". Das sagten zwei CSU-Politiker direkt hintereinander der "Bild"-Zeitung. Noch schwerer dürfte die Kritik des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble wiegen, die er in eine Sorge verpackte, die Folgen der ultra-lockeren Geldpolitik nährten euro-skeptische Bestrebungen.

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank. Die Unzufriedenheit der Deutschen mit ihm steigt, weil sie in der Eurozone am meisten unter seiner Politik leiden. Das Sparbuch wirft kaum noch etwas ab, die Nation der Sparer wird für ihre Tugend nicht mehr belohnt. Banken rechnen vor, dass den Deutschen dadurch Milliarden Einbußen entstanden sind.

Und den Geldhäusern geht es nicht besser. Das klassische Geschäftsmodell, bei dem Banken die Einlagen der Kunden als Kredite an Unternehmen und Häuslebauer weitergeben und an den Zinsdifferenzen verdienen, lässt sich immer schwerer aufrechterhalten, weil bei Nullzinsen auch wenig Differenz rauszuholen ist.

Die Altersvorsorge wackelt

Noch größer ist die Not bei Lebensversicherern, die die hohen Zusagen aus der Vergangenheit nicht mehr erwirtschaften können. Ebenso schwer haben es die Betriebsrenten. Mit anderen Worten: Wenn in Zukunft mehr Menschen in Deutschland von Altersarmut bedroht werden, ist auch der Italiener Mario Draghi mitschuldig.

Die gebeutelten Deutschen wird Draghi an diesem Donnerstag nicht beruhigen können, wenn er sich nach der EZB-Ratssitzung ans Mikrofon setzt. Ein Kurswechsel wird nicht erwartet, dafür hat er sich in der Vergangenheit zu sehr auf die expansive Geldpolitik festgelegt. Immer wieder zeigte er die Bereitschaft, die Zügel noch weiter zu lockern: "Wir haben keine Sorge, dass uns die Munition ausgeht."

Dass er diesmal die Füße still halten wird, liegt nur daran, dass er erst im März noch mal in die Vollen gegriffen hat. Der Leitzins wurde auf Null Prozent gesenkt; der Strafzins, den die Geschäftsbanken für das Parken ihres Geldes bei der EZB zahlen, erhöhte sich auf 0,4 Prozent und das Volumen des Anleihekaufprogramms wurde erweitert.

Das tat der ewig lächelnde Italiener nicht, um die Deutschen zu ärgern. Die Wirtschaft in der Eurozone erholt sich viel zu langsam. Die Inflation bewegt sich an der Null-Linie. Den Ideal-Wert sehen die europäischen Währungshüter bei knapp unter zwei Prozent.

One size fits all

Dass die solide wachsende deutsche Wirtschaft und der sich zu einer Blase formende Immobilienboom nach steigenden Zinsen schreien, interessiert Mario Draghi herzlich wenig. Dabei ist er nicht der erste EZB-Chef, der nur die Schwachen in der Währungsunion im Blick hat und die Starken außen vor lässt. Vor über zehn Jahren war es genau umgekehrt: Damals berücksichtigte der Franzose Jean-Claude Trichet die deutsche Flaute und verstärkte mit niedrigen Zinsen die Immobilienblase in Südeuropa.

Es ist also die Konstruktion des Euro, die eine Politik der Zentralbank erzwingt, die es nicht allen recht machen kann. Da die Mutter ihre schwächsten Kinder am meisten liebt, muss auch die EZB stets das Interesse der kriselnden Länder im Auge behalten.

In bester Gesellschaft

Mit der Nullzins- und Strafzins-Politik steht Draghi zudem auch international im Trend. Japan, Schweden und die Schweiz haben es bereits vorgemacht. Und die USA haben eine Pause in der gerade eingeführten Zinswende eingelegt.

Ein weltweiter Abwertungswettbewerb hat begonnen. Da kann die EZB nicht nachstehen, will sie das zarte Konjunktur-Pflänzchen an der Peripherie der Eurozone nicht wieder abwürgen.

Auch ein deutscher EZB-Chef könnte kaum eine andere Politik betreiben, zumal er nicht im Verdacht stehen dürfte, nur im deutschen Interesse zu handeln. Übrigens: Wurde Draghi am Anfang seiner Amtszeit von den deutschen Medien nicht als der preußische Italiener gefeiert?