Durch Autoexporte dicke Luft in Afrika
26. Juli 2018"Zehn bis 20 Prozent haben Diesel-Fahrzeuge an Wert verloren", schätzt Ansgar Klein vom Bundesverband freier Kfz-Händler, seit Bekanntwerden der manipulierten Abgasreinigungssysteme durch die Fahrzeughersteller und der Diskussion um Fahrverbote aufgrund hoher Feinstaubbelastungen in Deutschlands Städten.
Auf den Verkaufsflächen der Autohäuser ist ein daraus resultierendes Überangebot nicht erkennbar, da viele Händler Dieselfahrzeuge erst gar nicht in Zahlung nehmen. Auch auf Haydars Hof findet man kein neues Diesel-Modell. Seine Kunden fragen diese schlichtweg nicht nach: "In Libyen kostet eine ganze Tankfüllung Benzin einen Euro. Da schaffen sich die Leute keinen Sprit sparenden Diesel an", sagt der Autovermittler.
Unter einem Bretterverschlag sitzt Haydar bei sengender Sonne, während sein Vater in einer einfachen Holzhütte mit afrikanischen Kunden verhandelt. Es geht sehr laut zu. "Die kommen für zwei Wochen nach Deutschland, um gezielt Autos zu kaufen", erzählt der Deutsche mit irakischen Vorfahren.
Alt, solide gebaut - genau richtig für Afrikas Straßen?
"Der Schrott aus Deutschland geht nach Afrika, die dreckigen Diesel nach Osteuropa", fährt Haydar fort. Derweil hieven zwei Männer draußen auf der Straße PKW auf die Ladefläche ihres Transporters: Fahrer und Autokennzeichen stammen aus Litauen. Ihr Ziel: Der Hamburger Hafen. Von dort wird die Ware verschifft. Dabei: ein 25 Jahre alter Mercedes-Kombi. Mehr als 250.000 Kilometer gelaufen. Für 750 Euro verkauft. Genau solche Fahrzeuge sind in Ländern Nord- und Westafrikas gefragt.
Dubioses und nur schwer durchschaubares Geschäft
Vieles läuft scheinbar unter der Hand, obwohl die Europäische Union ein Freihandelsabkommen mit Staaten Afrikas hat.
Denn neben Zollerleichterungen haben die Staaten auch Umwelt-Standards vereinbart - etwa, dass nur fünf oder zehn Jahre junge Autos importiert werden dürfen. Nur sind die Regeln leicht zu unterlaufen - auch weil viele Staaten beim Import von Fahrzeugen, die Standards gar nicht kontrollieren.
"Wenn Du die richtigen Leute kennst, kriegst Du jedes Auto in jedes Land", entgegnet Haydar. Gerüchteweise werden Autos unter Umständen gezielt in Einzelteile zerlegt, um Bestimmungen einzuhalten.
Über das Internet können sich potentielle Käufer in Afrika über Modelle in Deutschland informieren: Der rote Audi A4 mit 101 PS-starkem Benzinmotor, Baujahr 1995, soll 500 Euro kosten. Nächste Hauptuntersuchung für TÜV und Abgastest (ASU): Januar 2019. Motor und Getriebe sollen den Angaben zufolge in gutem Zustand sein. Beim genaueren Hinsehen offenbaren sich allerdings eindeutige Mängel: Mit Schadstoffklasse Euro 1 steht fest: Das Fahrzeug hat eine hohe Feinstaubemission, demzufolge keine Umweltplakette und darf auf Deutschlands Straßen nicht mehr bewegt werden. Um es mit einem Katalysator aufzurüsten, müsste der Halter zwischen 400 und 700 Euro investieren. Außerdem ist der Auspuff undicht. Der Wagen röhrt daher lauter als ein Elch. In Deutschland würde der Fahrer den Zorn auf sich ziehen.
"Der geht nach Afrika", sagt der Händler lachend am Telefon. Genauso wie das Audi Cabrio. Der schrottreife Unfallwagen, Erstzulassung 1994, ist, wie die rote Limousine, rund 250.000 Kilometer gelaufen. 950 Euro hat der Händler angesetzt. Der Preis ist Verhandlungssache. Selbst Autos mit Schäden durch Verschleiß, Unfall oder Unwetter sind zu verkaufen.
Besonders Marken wie hochwertige Audi, BMW, Mercedes, Opel, Volkswagen mit solider Technik gebaut, aber auch langlebige und geländegängige Japaner wie Subaru und Toyota, die hierzulande in der Presse des Autofriedhofs ihre letzte Bestimmung fänden, werden zielgerichtet und gewinnbringend nach Afrika verschifft. Hauptumschlagsland ist der Benin. Zwischen 2013 und 2015 wurden dort 210.000 und damit ein Drittel aller Fahrzeuge für den afrikanischen Markt entladen.
Technische Überwachung? Abgastests? - Fehlanzeige!
Der Durchschnittswert eines Autos ist nach Angaben des Öko-Instituts, dass eine Erhebung im Auftrag der EU durchführte: 1930 Euro. "Djibouti, Daressalam, Lagos" nennt der auf Afrikaexporte spezialisierte Händler im Bergischen Land die Anlaufhäfen für seine Karossen.
Er verkauft hauptsächlich japanische Fabrikate: "Die haben das günstigste Preis-Leistungs-Verhältnis." Links gelenkte Wagen finden in Westafrika Abnehmer, aus Großbritannien eingeführte entsprechen dem Linksverkehr in Ostafrika. Gefragt sind auch Euro 4-Diesel, die in Deutschland längst nicht mehr den Umweltstandards entsprechen. TÜV oder AU, Inspektion, regelmäßige Tests zur Bewertung der Verkehrstauglichkeit, gibt es dort nicht.
Von Vorteil sind Klimaanlagen. Durch die hohen Temperaturen und die geringe Luftfeuchtigkeit verrosten die Wagen viel langsamer als in Europa und halten lange. Daher laufen selbst Alt-Modelle mit hoher Kilometerleistung noch auf unebenen Schotterpisten. Und es gibt Schrauber mit handwerklichem Geschick im Umgang mit Altmodellen.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge stieg aber auch die Zahl der Ausfuhren von neuen Kleinwagen um über 20 Prozent. Aufgrund seines Bevölkerungswachstums gilt Afrika zunehmend als Konsumgütermarkt mit guten Wachstumschancen.
2015 bestand fast ein Viertel der Ausfuhren nach Afrika aus Waren der Gütergruppe Kraftwagen und Ersatzteile. Besonders in Nigeria explodiert die Bevölkerungsdichte mit derzeit etwa 190 Millionen. Die Einkommen steigen und damit die Nachfrage an Autos aus höherwertigen Segmenten. Gleichzeitig aber nehmen Luftverschmutzung und Lärmemissionen zu. Die gesundheitlichen Folgen zeigt der aktuelle Clunkered-Report des schwedischen Sida-Instituts auf. Einer senegalesischen Studie zufolge sind Asthma und Atemwegserkrankungen in Afrika auf dem Vormarsch.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat ermittelt, dass die statistisch erfassten Gebrauchtfahrzeugexporte nach Westafrika sich von 2008 bis 2012 auf 137.164 Fahrzeuge verdoppelten - trotz Abwrackprämie. Deutschlands Autobesitzer, die 2009 ihren Gebrauchten zur Verschrottung hergaben, erhielten 2500 Euro Prämie. Die Bundesregierung wollte damals mit der Aktion die lahmende Konjunktur ankurbeln.
Verbleib von Fahrzeugen nach Abwrackprämie ungeklärt
Bei einer Untersuchung des UBA fiel auf, dass der Verbleib von mehr als einer Million endgültig außer Betrieb gesetzter Fahrzeuge statistisch nicht nachweisbar war. Dies lässt auf illegale Exporte von Altfahrzeugen oder Einzelteilen schließen. Fälle des Transits von Gebrauchtfahrzeugen von Deutschland über einen anderen EU-Staat in einen Nicht-EU-Staat werden in der Außenhandelsstatistik nicht erfasst.
Der offiziellen Statistik zufolge gab es nach 2012 dann wieder einen starken Rückgang beim Export nach Afrika, sodass im Jahr 2016 praktisch das Niveau von 2008 von knapp 60.000 Fahrzeugen erreicht wurde. "Die Ursachen für den Rückgang können den Statistiken nicht entnommen werden, sagt Regina Kohlmeyer, vom Bereich Produktverantwortung im UBA. "Wahrscheinlich ist jedoch, dass Importbeschränkungen in den importierenden Ländern hier einen Einfluss haben. Auch die Exporte nach Nordafrika und in die Staaten der ehemaligen Sowjetunion gingen laut Außenhandelsstatistik von 2013 bis 2016 stark zurück." Die Länder führten offiziell Zölle und Altergrenzenbeschränkungen für Fahrzeuge ein.
Abgasreinigungstechnik fliegt raus
"In den meisten afrikanischen Ländern gibt es keine Einfuhrbeschränkungen", weiß dagegen Export-Händler Allouch. Hinter vorgehaltener Hand ist auch die Rede davon, dass Abgasreinigungssysteme vor dem Export gezielt ausgebaut werden. Da es in den Zielländern ohnehin keine entsprechenden Luftreinhaltungstests gibt, werden die Rohstoffe hierzulande verwendet. Ebenso sollen Katalysatoren nach dem Ausbau in den Zielländern zum Recycling reimportiert werden.
Darauf, dass wertvolle Rohstoffe, die alle Automobile in sich bergen, nicht verloren gehen sollten, verweist das UBA, allerdings auch auf erhebliche Gefahren für Gesundheit und Umwelt bei nicht fachgerechter Demontage und Verschrottung.
Die EU hat in den Altfahrzeugen in der Europäischen Union einen Wert zwischen sieben und acht Millionen Tonnen Abfall erkannt, "die ordnungsgemäß bewirtschaftet werden sollten". So beschreibt es die Richtlinie zum umweltfreundlichen Abbau und Recycling von Altfahrzeugen. Sie legt klare quantifizierte Ziele für die Wiederverwendung, das Recycling und die Verwertung der Altfahrzeuge und ihrer Bestandteile fest. Die EU fordert die Hersteller außerdem auf, neue Fahrzeuge ohne gefährliche Stoffe (insbesondere Blei, Quecksilber, Cadmium und sechswertiges Chrom) herzustellen und so die Wiederverwendung, Recyclingfähigkeit und Verwertung von Altfahrzeugen zu fördern.
Hinsichtlich der illegalen Abfallentsorgung und der damit verbundenen gesundheitsgefährdenden Risiken, hat das Ökoinstitut das "Best-of-two-Worlds"-Konzept initiiert: Altfahrzeuge sollen mit hohem Personaleinsatz unter umwelt- und sozialgerechten Standards recycelt werden. Die Umwelt-Organisation fordert in dem Zusammenhang staatliche Vorgaben, "da Fallstudien zeigten, dass Unternehmen, Menschenrechte und Umweltbelange vernachlässigten, wenn sie die Einhaltung auf freiwilliger Basis durchsetzen sollten".