Durchmarsch der Biene
9. Mai 2014Bienen sind wieder in. Das passt gut in das gesteigerte grüne Bewusstsein der heutigen Zeit. Als Bestäuberinsekten sind Bienen auf Blütenpflanzen angewiesen, von deren Pollen und Nektar sie sich ernähren. Doch Blütenpflanzen sind Mangelware: Vor allem auf dem Land müssen sie blütenleeren Äckern und Feldern weichen. Das "Urban Bee Keeping", also das Halten von Bienen in der Stadt, ist eine Folge dieser Entwicklung.
Möglicherweise zeichnet sich hier das Problem ab, das der momentane Hype um die Biene mit sich bringt: Es ist nicht damit getan, sich ein Bienenvolk auf den heimischen Balkon zu stellen, ohne das nötige Fachwissen zu besitzen. Eine nichtartgerechte Tierhaltung kann kaum Umweltschutz sein. Macht die Biene als Trendobjekt also ein Verlustgeschäft?
Sehr zu empfehlen: ein Lehrgang
Jürgen Hiller ist begeisterter Hobbyimker. Der gelernte und mittlerweile pensionierte Ingenieur hält sich seit fast vier Jahren zwei Bienenvölker im heimischen Garten. Fragt man ihn nach seinen Bienen, gibt er ausführlich und sachkundig Antwort - obwohl er keine professionelle Ausbildung besitzt. "Ich habe das große Glück, von einem erfahrenen Hobbyimker betreut zu werden, der im Notfall auch vorbeikommt", erklärt Hiller. Außerdem habe er viel gelesen und sich auf diese Weise die notwendigen Kenntnisse angeeignet. Lehrgänge, von Imkervereinen angeboten und von Experten empfohlen, hat Hiller keine gemacht. "Das wäre allerdings sicherlich sinnvoll gewesen", räumt der Hobbyimker ein.
Im vergangenen Winter ist eines von Hillers Völkern gestorben. "Wahrscheinlich die Varroamilbe", vermutet der Hobbyimker. Die Varroamilben sind als Parasiten tatsächlich in der Lage, ganze Bienenvölker auszulöschen, auch Berufsimker und Wissenschaftler beschäftigen sich intensiv mit diesem Problem. Gerade der Kampf gegen die Varroamilbe verlangt solide Fachkenntnisse. Hätte Hiller also doch lieber einen Lehrgang besuchen sollen?
"Der Imker hat die Aufgabe, das Bienenvolk zu schützen und zu pflegen. Alles muss nach einem bestimmten Fahrplan zur richtigen Zeit durchgeführt werden", erklärt Andreé Hamm, Tierökologe und Bienenforscher an der Universität Bonn.
Hamm freut sich über das rege Interesse an den Bienen. Während des Sommersemesters bietet er Veranstaltungen an, in denen er neben dem theoretischen Wissen um die Ökologie der Biene auch das praktische Handwerk der Imkerei vermittelt. Diese Kurse sind völlig überlaufen.
Bienensterben durch intensive Landwirtschaft, Verstädterung und Pestizide
Woher kommt das gesteigerte Interesse an den gestreiften Insekten? Peter Rosenkranz, Leiter des Bieneninstituts der Universität Hohenheim hat eine Vermutung: "Das Bienensterben wurde in den letzten Jahren sehr viel in den Medien thematisiert und die Bienen damit ziemlich populär gemacht."
Die Gründe für das Bienensterben sind komplexer Natur. Die intensive Landwirtschaft und die Verstädterung verdrängen blühende Flächen. Kommt es dann noch zu einem vermehrten Einsatz von Pestiziden, werden die Bienenvölker dahingerafft, weil es ihnen an Ausweichflächen fehlt.
Die Wissenschaftler der Universität Hohenheim um Peter Rosenkranz versuchen mit dem Projekt "Fit Bee", sowohl die Bedürfnisse der Landwirtschaft, als auch die der Bienen unter einen Hut zu bekommen und die Situation der Bienen zu verbessern. Rosenkranz ist aufgrund der misslichen Lage der Bienen nicht verwundert über den Wunsch vieler Menschen, etwas Sinnvolles für die Natur zu tun und deshalb Bienen zu halten.
"Hurra, ich bin Imker!"
Ganz anders sieht das Klaus Maresch, Berufsimker aus Bonn. "Viele Bienenvölker sterben an der Dummheit der Imker. Jeder Depp kann sich heutzutage ein Bienenvolk kaufen - hurra, ich bin Imker! Ich tue den Bienen aber nichts Gutes, wenn ich sie nur halte." Ein Imker müsse gleichzeitig auch sein eigener Tierarzt sein - allein dafür sei viel Wissen nötig, das seiner Meinung nach zu viele Hobbyimker nicht haben.
Als Beispiel führt Maresch die Varroamilbe an: Kein Bienenvolk müsse an dem tödlichen Parasiten sterben, wenn die Bienenhalter ihm nur die richtige prophylaktische Behandlung zukommen ließen, sagt Maresch. Der Berufsimker besitzt 180 Bienenvölker, die er auf zwölf Standorte in und um die Stadt herum verteilt hat. In diesem Jahr möchte er auf 300 Völker aufstocken. Seine Imkerei befindet sich auf einem sieben Hektar großen, ehemaligen Schießgelände der Bundeswehr. Sein Honig ist biozertifiziert, daneben verkauft er Bienenwachskerzen, Met und Honigbonbons.
Was Bienen mit Golden Retrievern gemeinsam haben
Die Einrichtung des Raumes, in dem der Honig verarbeitet wird, hat den Imker bisher rund 30.000 Euro gekostet und muss Standards zur Lebensmittelherstellung entsprechen. Mareschs Skepsis könnte angebracht sein, schaut man sich das Schicksal anderer tierischer Trendobjekte an. Auch viele Dalmatiner und Golden Retriever wurden nur deshalb angeschafft, weil sie gerade in Mode waren, nur um kurz darauf die Tierheime zu füllen.
Die Biene ist jedoch in mehrfacher Hinsicht bedeutsamer als ihre bellenden Schicksalsgenossen. Deshalb raten Wissenschaftler durchaus dazu, das Interesse der Menschen an der Biene zu erhalten. Denn sie dient einerseits als ökologischer Indikator: Krankt die Umwelt, namentlich die Pflanzenvielfalt, geht es auch der Biene schlecht. Andererseits ist die Biene von nicht zu unterschätzender ökonomischer Bedeutung: "80 Prozent unserer Pflanzen in Deutschland sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen", erklärt Tierökologe Hamm. "Auch die Tiere, deren Fleisch wir essen, leben von diesen Pflanzen. Deshalb spielen die Bienen eine ganz entscheidende Rolle bei unserer Nahrungsversorgung."
Was hierzulande vielen nicht klar ist, haben Hamms ausländische Studenten längst als Entwicklungshilfe erkannt: Das in den Bienenkursen vermittelte Wissen nehmen sie mit in ihre Heimatländer nach Afrika oder Südamerika, um dort laut Hamm "mit effizienter Imkerei einen Beitrag zur Bereitstellung von Nahrungsressourcen zu leisten."
Wildbienen haben ein doppeltes Handicap
Neben den vom Imker gehegten und gepflegten Honigbienen gibt es in Deutschland auch rund 600 Arten von Wildbienen; dazu zählt auch die Hummel. Denen geht es um einiges schlechter als ihren halbdomestizierten Artgenossen. "Wildbienen haben ein doppeltes Handicap: Sie brauchen in ihrem Umfeld nicht nur pflanzliche Ressourcen, also Pollen und Nektar, sondern auch geeignete Nistmöglichkeiten", sagt Hamm.
Einige Wildbienen sind zudem noch sehr wählerisch und mögen nicht jede Art von Blütenpflanze. Hamms Forschungen konzentrieren sich deshalb auf die Verbesserung der Biodiversität, also der Artenvielfalt der Blütenpflanzen. Das käme sowohl den Honig- als auch den Wildbienen zugute. Ein Bienenstock auf irgendeinem Balkon, aufgestellt von jemandem, der nicht weiß, was er tun muss, nützt tatsächlich niemandem etwas.