So kann die Verkehrswende aussehen
15. September 2019Norwegen und seine Elektroautos
Norwegen ist weltweit das Paradies für Elektroautos. In keinem anderen Land der Erde ist der Anteil der Stromer an den Neuzulassungen so hoch wie hier. Im ersten Quartal dieses Jahres hatte fast jeder zweite Neuwagen einen reinen Elekroantrieb. Hybridfahrzeuge sind noch nicht mit eingerechnet. Von solchen Zahlen kann Deutschland nur träumen. Zwar hat Deutschland Norwegen bei den absoluten Zahlen inzwischen überholt. Aber Deutschland hat 83 Millionen Einwohner, Norwegen nur fünf Millionen.
Hinter diesem rasanten Wachstum steht ein klarer politischer Plan: Schon 2025 sollen in Norwegen überhaupt keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden - aus Gründen des Klimaschutzes.
Die norwegische Regierung hat die Anschaffung und den Betrieb von E-Autos massiv unterstützt. Allein der Steuervorteil beim Kauf ist so hoch, dass er den höheren Kaufpreis mehr als ausgleicht. Damit wird ein Elektroauto billiger als eines mit Verbrennungsmotor. Dazu kommt, dass Stromer Vorteile bei der Benutzung von Busspuren, Mautstraßen und beim Parken haben. Die Privilegien mussten inzwischen sogar eingeschränkt werden, weil es einfach so viele E-Autos sind, die sie in Anspruch nehmen.
Idealerweise, so hoffen die Regierung und der Verband der E-Auto-Besitzer, sind die elektrisch betriebenen Autos dank sinkender Produktionskosten bald so viel günstiger, dass man gar keine Steuervorteile mehr braucht.
So viele Elektrofahrzeuge sind aber nur möglich, wenn das Netz an Ladestationen dicht genug ist. Dafür sorgt der norwegische Staat. Ein eigenes Unternehmen vergibt Aufträge für den Bau der Säulen. In den Städten, aber auch entlang der Landstraßen kann man seinen Wagen überall aufladen. An den Hauptverkehrsstrecken gibt es im Schnitt alle 50 Kilometer eine Schnell-Ladestation, an der das Laden weniger als eine Stunde dauert.
Dass diese Politik auch ihre Grenze haben kann, zeigen die jüngsten Kommunalwahlen in Norwegen. Gewonnen haben zwar die Grünen, aber auch Parteien, die strikt gegen eine Städtemaut sind, mit der die Regierung auch die E-Autos fördert.
Die Schweiz und ihre Bahnen
Wohl kein europäisches Land setzt so auf die Eisenbahn wie die Schweiz. Das ist seit Jahrzehnten Politik. Bezogen auf ihre Fläche hat die Schweiz zusammen mit Tschechien das dichteste Bahnnetz der Welt. Bei einer Bevölkerungszahl von gut acht Millionen Menschen nutzen jeden Tag etwa eine Million Menschen die Bahn, ein sehr hoher Wert.
Geheimnis des Erfolges der Schweizerischen Bahnen ist nicht nur die hohe Pünktlichkeit, sondern auch eine sehr gute Abstimmung der Züge aufeinander und des Taktes von Zügen und Bussen. Die gesamte Schweiz ist im Grunde genommen ein einziger großer Verkehrsverbund. Alle Verbindungen sind getaktet. Ist doch einmal ein Zug verspätet, wartet der Anschlusszug oder -bus. Eine Konkurrenz von Buslinien zu den Bahn-Fernverkehrsstrecken gibt es nicht.
Auch die Preispolitik fördert das Bahnfahren. Im Hochlohnland Schweiz ist das Reisen auf der Schiene nicht übermäßig teuer. Mit der sogenannten "Halbtax"-Karte für weniger als 200 Franken im Jahr kann man den Normalpreis um die Hälfte senken, rund 2,5 Millionen "Halbtax"-Abonnenten sprechen eine klare Sprache.
Und die Schweiz entwickelt ihr Bahnnetz fortlaufend weiter. Vor allem der internationale Nord-Süd-Güterverkehr wird konsequent von der Straße auf die Schiene verlegt. Dazu tragen nicht zuletzt neue Tunnel bei. Allein der Lötschberg- und der Gotthard-Basistunnel, der längste Eisenbahntunnel der Welt, entlasten das Transitland Schweiz deutlich. Peinlich für Deutschland: Die Zulaufstrecke zum Gotthard-Basistunnel ist noch nicht fertig, obwohl der Tunnel seit drei Jahren in Betrieb ist. Deshalb kann er sein Potential noch nicht voll ausschöpfen.
Die Niederlande und ihre Fahrräder
Wer einmal im Amsterdamer Berufsverkehr unterwegs war, weiß, welches Verkehrsmittel hier die Hauptrolle spielt: Hunderte Radfahrer, in Jeans ebenso wie in Anzug und Krawatte, drängen sich dicht an dicht, Autos werden höchstens noch geduldet. Das war nicht immer so im traditionell Fahrrad-freundlichen Holland. Wie anderswo auch verdrängte das Auto immer mehr das Fahrrad. Erst in den 1970er Jahren haben Ölkrise und hohe Unfallzahlen zu einer Rückbesinnung auf das Fahrrad geführt. Jetzt kommt der Klimaschutz dazu.
Mehr als ein Viertel aller Wege in den Niederlanden wird mit dem Rad zurückgelegt. Das ist Folge einer konsequenten Verkehrspolitik, die sehr stark auf das umweltfreundliche Fahrrad setzt. Dabei legt man Wert auf Sicherheit, Vorrang gegenüber dem Auto und inzwischen auch auf Schnelligkeit.
Grundsätzlich sind Radwege auf dem Land vom Fahrweg für Autos getrennt. Oft gibt es Zweirichtungsradwege mit Mittelstreifen und ausreichend Platz, so dass man auch ohne Gefahr überholen kann. Das Nebeneinanderfahren ist grundsätzlich erlaubt. Der Unfallschwerpunkt Kreuzung ist so gestaltet, dass die Vorfahrtsregelungen klar sind. In vielen Straßen wurden Parkplätze zugunsten von Radwegen entfernt.
Vor allem Touristen schwärmen vom Knotenpunktsystem mit Orientierungstafeln. Auch ohne Navi, Landkarte und Ortskenntnis kann man so sein Ziel finden. Das System ist so erfolgreich, dass es auch in Teilen Deutschlands eingeführt wurde.
Jüngstes Großprojekt in den Niederlanden sind Radschnellwege. Überall werden sie derzeit geplant und gebaut, vor allem für Pendler. Mit möglichst wenigen Unterbrechungen durch Ampeln und Straßenkreuzungen, mit eigenen Tunneln und Brücken werden so Verbindungen zwischen Städten von etwa zehn bis dreißig Kilometern geschaffen. Auch für Elektroräder sind solche Schnellwege ideal.
Einen natürlichen Vorteil haben die Niederlande allerdings, der sich auch mit noch so viel politischem Willen nicht auf andere Länder übertragen lässt: Das Land ist schön flach.