EADS und Airbus bekommen neue Führungsriege
3. Juli 2006EADS gab in einer Pflichtmitteilung an die Börse bekannt, dass EADS-Co-Chef Noël Forgeard sowie der deutsche Airbus-Chef Gustav Humbert mit sofortiger Wirkung zurückgetreten sind. Besonders der Franzose Forgeard war in den vergangenen Wochen massiv wegen umstrittener Aktienverkäufe und Schuldzuweisungen in der Airbus-Krise in die Kritik geraten.
"Die kürzlich angekündigte Verzögerung beim A380-Programm war eine große Enttäuschung für unsere Kunden, Anteilseigner und Mitarbeiter", sagte Humbert. "Als Chef von Airbus muss ich daraus die Konsequenzen ziehen und biete meinen Rücktritt an."
EADS will mit diesem Schritt das Vertrauen der Kunden, Anleger und Mitarbeiter zurückgewinnen. Ein größerer Umbau des Konzerns, wie er zuletzt teils öffentlich diskutiert worden war, wird es laut der Mitteilung von Sonntag (2.7.2006) jedoch nicht geben.
Wieder deutsch-französisches Führungsduo
Nachfolger von Forgeard (59) wird der bisherige Chef der französischen Staatsbahngesellschaft SCNF, Louis Gallois (62). Der deutsche Tom Enders behält sein Amt als EADS-Co-Chef.
Dagegen wird die Tochtergesellschaft Airbus nun in neue Hände gelegt: Für Humbert (56), der seinen Posten nach nur einem Jahr abgeben muss, folgt der Franzose Christian Streiff (51). Streiff war bis Mitte 2005 Generaldirektor bei der Saint-Goubain-Gruppe.
Auslieferungsprobleme beim A380
Am 13. Juni hatte EADS erstmals öffentlich Produktionsprobleme beim mit Spannung erwarteten größten Passagierflugzeug der Welt eingeräumt. Die Besteller der bisher 159 neuen Riesen-Jets wurden über die "Veränderung des Produktionsprogramms" benachrichtigt. Rund sechs Monate vor dem Ersteinsatz des A380 hat Airbus den Auslieferungszeitplan für sein Großflugzeug mit 555 Passagieren um ein gutes halbes Jahr verschoben. Angesichts dieser bereits zweiten Verzögerung bei Airbus hatten mehrere Fluggesellschaften Entschädigungen gefordert oder sogar Abbestellungen in Erwägung gezogen.
Vor Bekanntwerden der Produktionsprobleme beim A380 hatte Forgeard Aktienoptionen mit 3,7 Millionen Euro Gewinn genutzt. Er bekräftigte zwar, er habe die Aktien bereits im März verkauft, aber erst im Mai von den A380-Problemen erfahren. Doch die französische Börsenaufsicht ermittelt wegen Insiderverdachts.
Konkurrenzkampf mit Boeing
Der frühere Airbus-Chef Forgeard und sein Nachfolger Humbert sahen sich nicht nur wegen der Produktionsprobleme wachsender Kritik ausgesetzt, sondern auch großer Unzufriedenheit auf Seiten der Kundschaft hinsichtlich des geplanten A350. Das für das Jahr 2010 angekündigte Modell stieß bei wichtigen Kunden auf Kritik und fand zuletzt weniger Zuspruch als das Konkurrenz-Modell 787 Dreamliner des US-Rivalen Boeing. Bis Mitte Juli sollte über Veränderungen bei dem Flieger entschieden werden, Branchenbeobachter halten es weiterhin für möglich, dass Airbus die Planungen ganz einstellt.
2,75 Milliarden für den BAE-Anteil
EADS hat 2005 mit Airbus-Flugzeugen, Rüstungsgütern und der Raumfahrt einen Umsatz von 34,2 Milliarden Euro erzielt und beschäftigt 113.000 Mitarbeiter. Airbus steuerte mit 22,1 Milliarden Euro den Löwenanteil zum Umsatz bei. Der Reingewinn betrug im Vorjahr knapp 1,7 Milliarden Euro.
Der französische Staat hält 15 Prozent an EADS, der Medienkonzern Lagardere 7,5 Prozent. Auf der deutschen Seite besitzt DaimlerChrysler 22,5 Prozent - das Unternehmen begrüßte die Management-Veränderungen bei EADS. "DaimlerChrysler ist überzeugt, dass es mit der neuen Führungsstruktur gelingen wird, die Marktposition von EADS auszubauen", sagte ein Konzern-Sprecher. Auch die französische Regierung erklärte, sie habe die Entscheidung von Forgeards Absetzung mitgetragen.
Das EADS-Führungsgremium entschied zudem, dass die Tochter Airbus enger in den Konzern integriert werden soll, sobald EADS die Airbus-Anteile des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems erworben hat und damit Alleineigentümer von Airbus wird. Für den geplanten Verkauf der 20-Prozent-Beteiligung hat die Investbank Rothschild den von der EADS zu bezahlenden Preis mit 2,75 Milliarden Euro festgelegt. Das gab der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern am Sonntagabend bekannt. In Ermangelung einer Einigung zwischen der EADS und BAE Systems war Rothschild von beiden Parteien als Schlichter berufen worden, um den Preis festzulegen. (kas)