Ebola-Hilfe: Appell der Studenten
10. August 2015DW: Herr Aschoff, aus der Northern Province in Sierra Leone wurden in den vergangenen Wochen neue Ebola-Fälle gemeldet. Haben Sie Kontakt dorthin?
Nicolas Anschoff: Ja, wir haben täglich Kontakt dorthin und wir hören auch von den Fällen, die es dort gibt. Unser Verein "L'Appel" ist im Bombali Disctrict tätig, der Gott sei Dank momentan frei ist von Ebola.
Dort haben Sie zur Hoch-Zeit der Epidemie vergangenes Jahr eine Ebola-Station aufgebaut. Dabei wollten Sie als Medizinstudent gemeinsam mit Kommilitonen eigentlich nur ein Praktikum im Hospital machen?
Ja, wir wurden völlig überrascht davon, dass es dort auf einmal Fälle von Ebola gab. Das war zuvor gar nicht abzusehen. Nach und nach verließ das internationale Personal die Klinik und wir standen alleine da mit einer hochbetagten mexikanischen Ärztin. Mit ihr zusammen haben wir dann eine Isolierstation aufgebaut für Ebola-Patienten.
Warum haben Sie nicht versucht, so schnell wie möglich wegzukommen?
Es wäre der viel größere Schritt gewesen, zu gehen und so viele Menschen im Stich zu lassen. Das hätte schon einiges an Menschenverachtung gebraucht, mein eigenes überschaubares Risiko über den sicheren Tod von hunderten Menschen zu stellen. Es gab leider keinerlei Ambition vom Krankenhauspersonal selbst, so etwas zu bauen. Die haben sehr stark die Realität ausgeblendet, nicht geglaubt, dass es Ebola tatsächlich gibt. Wenn wir diese Isolierstation nicht gebaut hätten, dann hätte es faktisch keine gegeben.
Haben diese Monate auch Ihr Leben verändert?
Mit Sicherheit, das wird keiner meiner Kollegen, die dabei waren, oder ich jemals vergessen. Das kann ich ganz sicher sagen.
Sie planen den nächsten Aufenthalt dort im November. Warum möchten Sie noch einmal hinfahren?
Wir haben mit unserem Verein L'Appel Deutschland Projekte in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Gesundheit in Sierra Leone etabliert. Unser Hauptprojekt ist der Bau eines Kinderheimes in unmittelbarer Nachbarschaft der Klinik. Am heftigsten leiden unter den Folgen der Ebola-Epidemie die Kinder. Es gibt viele Waisen. Im November soll dort Baubeginn sein. Dementsprechend haben wir uns den November vorgenommen als nächsten Reisetermin.
Im November soll es in Barcelona aber auch sehr schön sein. Denken Sie nicht manchmal, dass Sie es sich auch leichter machen könnten im Leben?
Wir wollen ja nicht vergessen, dass Sierra Leone ein wunderschönes Land ist abgesehen von seinen verheerenden Problemen. Ich kann Sierra Leone jedem auch als Urlaubsland ans Herz legen, abgesehen von der aktuellen Ebola-Problematik natürlich. Aber, nein, das wäre für mich absolut keine Option, Sierra Leone gegen Barcelona zu tauschen. Dazu sind wir unseren Partnern vor Ort einfach zu verbunden. Es ist natürlich jede Menge Arbeit, solch einen Verein zu führen. Aber es ist die höchste Befriedigung, dann tatsächlich auch zu sehen, wie so etwas wächst, wie man doch tatsächlich aus Europa agierend einen so großen Einfluss haben kann, wie man die Ideen von so vielen Menschen umsetzen kann und wie Heilung passiert.
Sind Sie unter ihren Kommilitonen der "Freak", der nach Afrika fährt oder wie sehen die Sie?
Klar, das wird unterschiedlich gesehen. Es gibt viele, die das auch als ausgesprochen freaky bezeichnen. Wir sehen aber auch viel Akzeptanz und Mithilfe. Einige der Kommilitonen unterstützen uns ja tatsächlich, arbeiten im Verein mit.
Es gibt sicher Leute, die denken: "Ah, eine Studenteninitiative. Das ist sicher chaotisch, überlasst das mal den Profis."
Wir werden glücklicherweise sehr ernst genommen von unseren Partnern und versuchen natürlich auch, so professionell wie möglich zu arbeiten. Unser großes Plus ist, dass wir alle Studenten sind, dass wir alles ehrenamtlich machen und selbstverständlich einhundert Prozent des Geldes, das uns anvertraut wird auch tatsächlich in Sierra Leone an den Mann oder die Frau bringen. Normalerweise haben Organisationen mit unserem Wirkungskreis mindestens 10%-20% Verwaltungskosten, die wir nicht haben. Es wird kein Sekretär davon bezahlt, es sind alles Studenten aus dem Bereich Medizin, Wirtschaft und Sozialwesen, die das machen.
Warum nennen sie sich eigentlich L'Appel?
Unser Verein hat das Credo, ausschließlich mit Appellen, mit Aufrufen, zu arbeiten. Wir verstehen uns als Sprachrohr. In Ruanda haben wir angefangen, dort brauchte ein Dorf eine Krankenstation. Wir haben den Appell nach Deutschland getragen und haben das Know-how und Ressourcen dafür zu Verfügung gestellt. Diese Station wird dieses Jahr eröffnet und dann in die Hände unserer Partner vor Ort übergeben und wir sind dann wieder raus. Wir kreieren keine zusätzliche Abhängigkeit.
Sie waren schon in große TV-Talkshows eingeladen, hatten täglich Medienanfragen auf der Mailbox. Und dann wochenlang gar kein Interesse an Ihrer Arbeit. Nervt das?
Das ist natürlich für uns frustrierend und zudem lernen wir daraus viel. Wir lernen daraus, wie Medieninteresse, leider, funktioniert und wo der interessenschwerpunkt der Medien liegt. Ich bin überzeugt, es hätte keinen Menschen in der deutschen Presse interessiert, was in Westafrika passiert, wenn es nicht tatsächlich eine reelle oder zumindest wahrgenommene Bedrohung auch für uns gegeben hätte. Momentan scheint die Bedrohung gebannt. Da ist Afrika wieder weit weg in unseren Köpfen.
Nicolas Aschoff studiert im achten Semester an der Universität Witten/Herdecke Medizin. Für den Verein L'Appel Deutschland betreut er Projekte in Sierra Leone.