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Belgien stellt den Präsidenten

19. November 2009

Bei der Auswahl des ständigen EU-Ratspräsidenten spielt keineswegs nur die Qualifikation eine Rolle, sondern auch das Heimatland und das Parteibuch. Ein Kompromiss musste her und der heißt Herman Van Rompuy.

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Porträt von Herman van Rompuy (Foto: AP)
Herman Van Rompuy, der diskrete VermittlerBild: AP

Herman Van Rompuy ist jemand, der sich überreden lässt. Zumindest war das vor zehn Monaten so, als der belgische König Albert II. händeringend einen neuen Ministerpräsidenten suchte, und keiner - aber auch wirklich keiner! - Lust auf diesen Job hatte. Am Schluss sagte Herman Van Rompuy auf Bitten seines Königs dann doch zu und begann, den Scherbenhaufen einer zerstrittenen Regierungskoalition aufzukehren und zu kitten.

Jetzt muss Belgien ohne ihn klarkommen

Politiker stehen nebeneinander: Van Rompuy, Reinfeldt und Bildt (Foto: AP)
Van Rompuy (links) beim EU-Gipfel Ende Oktober 2009Bild: AP

Eigentlich wollte der vermittlungsfreudige Christdemokrat das auch noch bis zur nächsten Parlamentswahl im Juni 2011 tun, aber jetzt könnte alles ganz anders kommen: Die EU, ebenfalls auf einen Meister des Kompromisses an ihrer Spitze angewiesen, hat den eher unauffällig wirkenden Belgier mit seiner Brille und dem grau-weißem Haarkranz als ständigen EU-Ratspräsidenten ausgewählt.

Van Rompuy selbst meint dazu: "Der neue Präsident muss jemand sein, der den Konsens, den Kompromiss zwischen den 27 Staaten suchen muss."

Warum passt Herman Van Rompuy gut auf den Posten?

Van Rompuy kommt aus einem kleinen EU-Land, das noch dazu Gründungsmitglied der EU und Teil der Eurozone ist. Er kommt aus dem konservativen Lager, das Anspruch auf die Besetzung dieses wichtigen Postens erhebt. Er hat Regierungserfahrung und vor allem: Er tut keinem weh.

Vereidigung als belgischer Ministerpräsident im Dezember 2008 (Foto: AP)
Van Rompuy wird als belgischer Ministerpräsident im Dezember 2008 vereidigtBild: AP

Denn einen auf dem europäischen Parkett schon jetzt allzu präsenten Ratspräsidenten möchten die EU-Staats- und Regierungschefs nun auch wieder nicht haben. Als Cheforganisator und Vermittler im europäischen Rat käme ihnen Herman Van Rompuy also gerade recht.

Familienvater und Internet-Freund

Der Politiker ist 62 Jahre alt, verheiratet, hat vier Kinder und ein Enkelkind. Privatfotos gibt es für seine Fans auf der Online-Plattform Facebook zu sehen: Durchaus unprätentiös mit Shorts und Sandalen im australischen Outback präsentiert er sich hier. Seine Facebook-Kommentare schreibt Van Rompuy zwar auf Flämisch, doch der gebürtige Brüsseler spricht selbstverständlich auch fließend französisch.

Überhaupt haben es ihm schöne Worte angetan: Neben Betriebswirtschaft studierte Van Rompuy auch Philosophie und veröffentlichte mehrere Bücher zu ethischen Fragen. Auf seiner eigenen Homepage empfielt er seine aktuelle Lieblingslektüre, immer wieder neu gibt es dort das Gedicht der Woche zu lesen.

Ein Dichter und Philosoph

Hobbydichter van Rompuy (Foto: picture-alliance/dpa)
Hobbydichter van RompuyBild: picture-alliance / dpa

Regelmäßig verfasst Van Rompuy japanische Haiku-Reime - die mit 17 Silben kürzeste Gedichtform der Welt: "Drie golven rollen samen de haven binnen, het trio is thuis" - "Drei Wellen rollen gemeinsam in den Hafen, das Trio ist angekommen".

Ein Van Rompuy- Werk, selbst geschrieben für das kommende EU-Ratspräsidentschaftstrio: Spanien, Belgien, Ungarn. Doch jetzt wird er die belgische EU-Ratspräsidentschaft, die nach dem Rotationsprinzip Mitte 2010 beginnt, nicht mehr als Ministerpräsident, sondern als ständiger Ratspräsident erleben.

Er hat sich am Ende also doch wieder überreden lassen.


Autorin: Susanne Henn
Redaktion: Bernd Riegert