Ein Masterplan für Integration
31. Januar 2016Die Liste der Forderungen ist lang. Obwohl noch keine Details über das Integrationskonzept der Regierung bekannt sind, haben Migrationsfachleute bereits genaue Vorstellungen, wie Flüchtlinge und Zuwanderer in die deutsche Gesellschaft integriert werden können.
Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour fordert, dass Integration eine Aufgabe für Profis sein sollte. Es sei falsch, dieses Arbeitsfeld Ehrenamtlern zu überlassen. Lehrer und Sozialarbeiter sollten in diesen Fragen besser ausgebildet werden. Sie müssten mehr über den Islam wissen und Lösungen bei der Radikalisierung von Jugendlichen parat haben.
Werte wie Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte müssten Bestandteil der Schullehrpläne werden. Der Islam müsse auch in Frage gestellt werden dürfen, fordert Mansour. Themen wie Frauenbild, Radikalisierung, Ehrenmorde und Antisemitismus müssten klar verurteilt werden, doch ohne Muslime dabei auszugrenzen.
Lukratives Investitionsprogramm
Olaf Kleist, Migrationsforscher an den Universitäten Osnabrück und Oxford, nennt vier Punkte, die Bestandteil des Integrationskonzeptes sein sollten. Wohnungsbau, Bildung, Arbeit und Zivilgesellschaft. Diese Aspekte müssen ineinander greifen, sagte er gegenüber der Deutschen Welle.
"Die Unterbringung der Flüchtlinge ist eine große Herausforderung. Allerdings sind das auch Chancen für die Städte, sich zu erneuern." Das gelte auch für den Bereich Bildung. An Schulen und Universitäten müsse man sich auf die veränderte Situation einstellen.
Besonders die Rolle der Zivilgesellschaft hob Kleist hervor. "Die vielen Initiativen, die es bereits gibt, benötigen weitere Unterstützung." Hier komme auch Stiftungen und Verbänden eine große Rolle zu. Kleist betrachtet die Integration als großes Programm, in das erst einmal investiert werden müsse. Langfristig geht er davon aus, dass die deutsche Wirtschaft profitieren wird.
Effektivere Verteilung der Mittel
Dem Bereich Schule kommt eine Schlüsselrolle zu. Hier gibt es zurzeit noch Defizite. Zu diesem Ergebnis kommt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. "Die Schulpolitik erkennt seit Jahren an, dass Schüler mit Migrationshintergrund schlechtere Bildungschancen haben", sagt Direktorin Cornelia Schu. Bei der Schulfinanzierung werde bislang aber kaum der Mehrbedarf einzelner Schulen berücksichtigt, um diese Benachteiligung gezielt auszugleichen.
"Unsere Analyse zeigt", so Schu, "dass nur knapp die Hälfte der Bundesländer systematisch mehr Fördermittel an einzelne Schulen verteilen, damit sie beispielsweise Sprachförderung für Schüler mit Migrationshintergrund anbieten können."
Dabei hätten sich die Länder bereits 2007 dazu verpflichtet, hier gezielter zu fördern. Damit Fördergelder bedarfsgerecht verteilt werden können, müsse der Bedarf einzelner Schulen fundiert ermittelt werden. Hier sollten Sozialdaten und der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund herangezogen werden, so Schu.
Chance für stagnierende Regionen
Wolfgang Kaschuba, Direktor am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung, regt einen Masterplan zur Integration an. Auch Kaschuba nennt die vier Bereiche Wohnraum, Spracherwerb, Bildung und Arbeit. Es gelte, Modelle zu entwickeln, die zukunftsträchtig seien.
Er widerspricht auch dem politisch vorherrschenden Sprachgebrauch. "So groß ist die Lawine nicht, von der die Politik spricht. Als wir vor fünf Jahren über den demographischen Wandel diskutiert haben, wären viele froh gewesen, wenn auf einmal eine Million Menschen da gewesen wären. Jetzt sind sie hier," meint Kaschuba.
In Deutschland gebe es zudem ein Stadt-Land-Gefälle. Auf dem Land stünden mehr als eine Million Wohnungen leer. Hier könnte eine so genannte Win-Win-Situation für schrumpfende Regionen entstehen, so Kaschuba. Für die Verwaltung wünscht sich der Wissenschaftler ein Ende des Ressortdenkens.
Sorge bei jüdischen Organisationen
Auch bei den jüdischen Organisationen werden die Regierungspläne für das Integrationskonzept aufmerksam verfolgt. Sie befürchten einen wachsenden Antisemitismus in Deutschland.
"Die Frage nach demokratischen Werten und Prävention in Sachen Antisemitismus muss auf die Tagesordnung", fordert Deidre Berger, Diretorin des American Jewish Committee (AJC) in Berlin. "Politische Spitzenvertreter aus Bund, Ländern und Kommunen müssen Maßnahmen auf den Weg bringen, um eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen zu ermöglichen."
Eigentlich ist das alles nichts Neues. Bereits 2007 und 2012 haben Politiker und Fachleute einen "Nationalen Aktionsplan Integration" ausgearbeitet. Offenbar reicht dieser Plan nicht mehr aus.