Ein Prozess ist ein Prozess ist ein Prozess
17. Oktober 2014"Prozess" - das ist das wohl meist verwandte Wort zur Beschreibung der Geschehnisse. Seit fast zwei Wochen tagen die Kardinäle, Bischöfe und ihre Berater in der Aula des Vatikan. An diesem Samstag geht die Synode zu Ende. Mit welchem Ergebnis, das weiß der Himmel. Nicht einmal Pater Bernd Hagenkord, Leiter von Radio Vatikan Deutsch und als einer der wenigen Beobachter hinter den Kulissen zugelassen, wagt eine Prognose. Ein Schlussdokument soll es geben, als Diskussionsgrundlage bis zur Folgesynode im nächsten Herbst, soviel steht fest. "Es ist eben ein Prozess", sagt Hagenkord.
Was auf dem Papier stehen wird, könnte die nächste Überraschung dieses Prozesses werden, wenn auch nicht die letzte. Vieles hat Beteiligte wie Beobachter, Amtsträger wie Laien bereits staunen lassen. Da war die weltweite Fragebogenaktion des Papstes, wie es die Gläubigen mit Ehe, Partnerschaft, Sex und Verhütung halten. Da war Franziskus' Synoden-Einladung an die Bischöfe seiner Weltkirche, um die Antworten zu studieren und zu diskutieren. Und schließlich verfehlte das regungslose, abwartende Zuhören des Pontifex während der Aussprache der letzten Tage nicht seine Wirkung.
Der Papst will Konsens
Bewusster Machtverzicht? Nein, Papst Franziskus fürchtet die eigene Macht nicht, glaubt Vatikankenner und Papstbiograph Marco Politi. Im Gegenteil, das sei Strategie. "Als Papst weiß Franziskus, dass man eine so große Organisation mit einer Milliarde von Gläubigen, mit Hundertausenden Priestern, Tausenden von Ordensleuten und Bischöfen, nicht mehr autoritär regieren kann. Will man einen Reformprozess anstoßen, dann muss das auf Konsens basieren." Gerade durch die freie Debatte wolle Franziskus die Bischöfe dazu bringen, einen Konsens zu finden für eine neue seelsorgerische Linie, meint der italienische Journalist Politi.
Allerdings: Nach Konsens wollte es in der ersten Synodenwoche nicht aussehen. Vielmehr ging es hoch her, als die Würdenträger versammelt tagten. Von 240 Wortmeldungen spricht das Protokoll. Von Rede und Gegenrede über Erneuerungsbedürftiges und Erhaltenswertes in der Kirche erzählten Teilnehmer in die Mikrofone wartender Journalisten. Sogar Laien kamen zu Wort, etwa die Berliner Familienreferentin Ute Eberl. Sie gab den Kirchenmännern auf, sich doch "erst mal in die Wohnzimmer der Familien zu setzen, um zu hören, wie es ihnen geht, statt über das zu urteilen, was in ihren Schlafzimmern geschieht".
Streit über Zwischenbericht
Anfang dieser Woche dann der nächste Paukenschlag: Kardinal Peter Erdö aus Budapest präsentierte der Öffentlichkeit seinen Zwischenbericht der Synode. Der lateinische Titel: "Relatio post disceptationem". Das Papier ließ aufhorchen - von der "positiven Realität von Zivilehen" war dort die Rede. Homosexuelle könnten "die christliche Gemeinschaft bereichern", hieß es, und dass es "mutige Entscheidungen" beim Umgang mit Geschiedenen brauche, die wieder heiraten.
Die Haltung der Kirche zum Verhältnis von Ehe und anderen Formen des Zusammenlebens, sie könnte dem Erdö-Bericht zufolge künftig so aussehen: Die kirchlich geschlossene Ehe ist das Maximum, doch lebt das Heil auch in der gut geführten Beziehung ohne Trauschein oder unter homosexuellen Partnern, die sich liebevoll um das Kind kümmern. Gradualität nennen das die Theologen. Der Vorschlag stammt von dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Doch taugt er auch für das katholische Eheverständnis?
Synode offen, nicht öffentlich
"Eine große Mehrheit" der Synodalen sei aufgeschlossen für Veränderungen im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und mit Homosexuellen, hat der argentinische Erzbischofs Victor Manuel Fernandez beobachtet. "Die Kirche muss Wege finden, damit sich alle aufgenommen fühlen - trotz ihrer Probleme", sagte Fernandez der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera"´. Davon seien die meisten Synodenteilnehmer überzeugt, abgesehen von "wenigen, vielleicht fünf oder sechs", die glaubten, dass sich "die Dinge nie ändern". Fernandez ist ein enger theologischer Berater von Papst Franziskus.
Ganz anders die Darstellung des australischen Kardinals Pell: Der kritisierte Erdös Zwischenbericht als "tendenziös und unvollständig". Das Dokument müsse verbessert und korrigiert werden, forderte Pell, der dem Kardinalsrat zur Kurienreform angehört und das vatikanische Wirtschaftssekretariat leitet.
So offen der Schlagabtausch wirkt, öffentlich ist die Bischofssynode deshalb noch nicht. In der "Methodik", so ist sich Bernd Hagenkord sicher, "probiert Papst Franziskus noch aus". Doch schon jetzt zeige der synodale Prozess, für den der Schlussspurt begonnen hat, wie sehr Franziskus in allen Teilen der Weltkirche angekommen sei. Das grandiose öffentliche Interesse an der römischen Debatte scheint ihm Recht zu geben.