Ein Smartphone wie aus Legosteinchen
25. Dezember 2013Als seine Kamera kaputtgeht und nicht wieder zu reparieren ist, ärgert sich Dave Hakkens so sehr, dass er beschließt, die elektronische Welt zu revolutionieren. Dass seine Kamera nicht mehr zu gebrauchen ist, liegt nur an einem einzigen Teilchen, das defekt ist - aber nicht austauschbar. Der Rest der Kamera funktioniert. "Dass muss ich ändern", sagt sich Dave Hakkens und ist fest entschlossen, für sein Abschlussprojekt an der Universität Eindhoven etwas zu schaffen, das den Umgang mit elektronischen Geräten verändern soll.
Reparatur statt Neukauf - das ist Hakkens' Vision. Sein Konzept entwirft er aber nicht für eine Kamera, sondern für ein Smartphone. Es soll aus mehreren Modulen zusammengesteckt werden können, nach dem Lego-Prinzip: ein Block für den Bildschirm, ein Block für den Akku, ein Block für die Kamera. Je nach Reparaturbedarf und Gefallen können einzelne Module beliebig vergrößert oder ausgetauscht werden. Phonebloks nennt Hakkens seine Idee, Telefonblöcke.
So ein Telefon könne schon gebaut werden, sagt Daniel Basa, Informatiker an der Universität Bielefeld. "Technisch ist es aber nicht sinnvoll." Denn flexible Module erfordern längere Leitungswege. "Das macht das Telefon langsamer." Und wenn jedes Modul ein einzelnes Gehäuse braucht, würde das Mobiltelefon dicker, schwerer und größer. Und zudem auch teurer: Hersteller bekommen die einzelnen Komponenten vor allem deswegen so billig, weil sie sie in Massen kaufen. Bei Phonebloks wären die Stückzahlen wohl sehr niedrig, das erhöht den Preis.
Über 18 Millionen Klicks auf Youtube
Doch Dave Hakkens trifft mit seiner Idee den Nerv der Zeit, sie begeistert. Eigentlich will er sein Youtube-Video, in dem er erklärt, wie das Telefon funktioniert, erst nach seinem Griechenland-Urlaub im September veröffentlichen. Doch während Hakkens am Strand liegt, wird das Video geleaked. Innerhalb von 24 Stunden haben es bereits eine Million Menschen gesehen. Hakkens bekommt hunderte E-Mails und Anrufe, die er alle in Badehose beantwortet. "Damit habe ich wirklich nicht gerechnet", sagt er. Heute, über drei Monate später, hat das Video bereits 18,5 Millionen Klicks. Ein voller Erfolg.
Hakkens will noch mehr Menschen erreichen. Übers Netz ruft er zum Crowdspeaking auf. Er fordert User auf, seine Idee zu unterstützen, indem sie sie auf sozialen Netzwerken teilen. Selbst produzieren will er Phonebloks nicht. "Es ist eine Vision", sagt Hakkens. "Es geht darum, Firmen zu zeigen, dass viele so ein Telefon wollen. Sie sollen uns eines machen!" Am 29. Oktober sind es über 900.000 Menschen weltweit, die Hakkens Idee verbreiten. Sie posten sie in sozialen Netzwerken wie beispielsweise Daniel Rosales auf Twitter:
Show the world we want a phone worth keeping! #phonebloks. I have to have this when its made! http://t.co/5UpVKjB2nL
— Daniel Rosales (@Dangle121) October 29, 2013
Die Menschenmassen beeindrucken viele Unternehmen. Auch Motorola ruft Hakkens an - ein Pionier unter den Handyherstellern. Vor 30 Jahren brachte die Firma eines der ersten Mobiltelefone auf den Markt. Voriges Jahr kaufte Google Motorola. Motorola und Hakkens einigen sich, dass sie gemeinsam mit der Online-Community von Phonebloks an einem Telefon nach dem Steckprinzip arbeiten wollen, das marktfähig ist. Auf einer Online-Plattform werden Ideen ausgetauscht und weiterentwickelt, der Stand der Dinge kommuniziert. Mit der Klötzchen-Idee will Motorola den Anschluss an die ganz Großen wieder schaffen.
Sozial und ökologisch produzierte Smartphones im Trend
Phonebloks ist nicht die einzige Idee, die ein Zeichen setzt gegen die technisch hochgerüstete Konsumgesellschaft. Diese Woche werden die ersten Fairphones ausgeliefert. Bei der Herstellung dieses Smartphones werden Arbeitsbedingungen kontrolliert und lediglich Rohstoffe für die Produktion benutzt, die zertifiziert sind. Phonebloks und Fairphone sind die zwei bekanntesten Beispiele der elektronischen Alternativszene, die in den letzten Jahren entstanden ist. Macher und Unterstützer sind junge, technikaffine Menschen, die mit ihren sozialen und ökologischen Überzeugungen den Markt beeinflussen wollen.
Dass solche Initiativen den Markt verändern, glaubt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe nicht. Auch er wirft Telefonherstellern vor, die Telefone absichtlich so zu produzieren, dass ihre Haltbarkeit kurz ist. Um wirklich zu erreichen, das Handys länger benutzbar sind, müssten die Rahmenbedingungen geändert werden. "Wir fordern von der Politik, dass Sie der Smart Phone-Industrie auferlegen, dass Telefone grundsätzlich einfach zu reparieren sind", sagt er.
Besonders die Produkte von Apple gelten als schwer reparierbar. Das Telefon lässt sich nur sehr kompliziert öffnen. "Das nervt", sagt auch Dave Hakkens. Momentan benutzt er selbst noch ein iPhone. Aber er ist sich sicher, dass er der erste sein wird, der das neue Motorola-Telefon benutzt, sobald es auf dem Markt ist. Und wenn dann die Linse seiner Handykamera bricht, kann er sie einfach austauschen.