Kambodscha wählt ein neues Parlament
28. Juli 2013Der Jubel, der die Rückkehr Sam Rainsys begleitete, überraschte selbst den altgedienten Oppositionspolitiker. Mehr als 100.000 Anhänger seiner Nationalen Rettungspartei Kambodschas (CNRP) waren auf die Straßen gegangen, um seine Rückkehr zu feiern (Titelbild). Diese größte Oppositionspartei ist der einzige ernstzunehmende Herausforderer der regierenden Kambodschanischen Volkspartei (CPP) bei den Parlamentswahlen am 28. Juli. Das begeisterte Willkommen erstaunte auch die Regierungspartei, die nach drei Jahrzehnten beinah totaler politischen Kontrolle und der damit einhergehenden Macht und Vetternwirtschaft gewohnt ist, dass alles nach ihren Vorstellungen läuft. Da die CPP auch fast alle Radio- und Fernsehanstalten und die wichtigsten Khmer-sprachigen Zeitungen fest im Griff hat, erfuhr die Mehrheit der Kambodschaner nichts von der Rückkehr des Oppositionsführers nach vier Jahren Exil - während die Nachricht rund um die Welt Schlagzeilen machte.
Am Tag nach seiner Ankunft startete Parteiführer Sam Rainsy mit seinem Stellvertreter Kem Sokha eine Blitztour durch die ländlichen Gebiete, wo die überwiegende Mehrheit der potentiellen Wähler lebt. Die Nationale Rettungspartei will bei dieser Wahl mehr als die bisherigen 29 Sitze in der 123 Sitze umfassenden Nationalversammlung erreichen. Acht Parteien nehmen insgesamt an der Wahl teil. Die wichtigste Frage, die viele Menschen bewegt, ist, ob die Nationale Rettungspartei der Regierungspartei Sitze in der Nationalversammlung abnehmen kann - und wenn ja, wie viele.
"Gleiche Voraussetzungen schaffen"
Internationale Geberstaaten, allen voran die USA, hatten die Rückkehr des Oppositionsführers aus dem Exil gefordert, um die Rechtmäßigkeit des Urnengangs sicherzustellen. Zwei Wochen vor den Wahlen hatte König Norodom Sihamoni eine Begnadigung unterzeichnet, die dem Chef der Oppositionspartei die Rückkehr ermöglichte. Auf Drängen der USA hatte Premierminister Hun Sen ein entsprechendes Gesuch zur Aufhebung seiner Haftstrafe ans Könighaus gerichtet. Sam Rainsy war 2011 wegen rassistischer Äußerungen und Falschinformation zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt worden und daraufhin nach Paris geflohen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen in Kambodscha, Surya Subedi, begrüßte die Begnadigung - und rief dazu auf, Rainsy die Rückkehr zu erlauben und an den Wahlen teilnehmen zu lassen. "Es ist wichtig, gleiche Voraussetzungen für alle politischen Parteien zu schaffen, damit sie auf gleicher Ebene bei den Wahlen konkurrieren können", schrieb er bereits 2012 in einem Bericht.
Aus der Rückkehr Rainsys zu schließen, dass sie zu einer freien und fairen Wahl führen wird, sei doch sehr weit hergeholt, betont die politische Beobachterin Chea Vannath gegenüber der Deutschen Welle. "Seine Anwesenheit ist nicht genug."
Eingriffe in den Wettbewerb der Parteien
Neben der Frage der Teilnahme Rainsys gab es einige weitere Kontroversen im Vorfeld der Wahl. Human Rights Watch kritisiert zum Beispiel die Teilnahme von hochrangigen Militärs im Wahlkampf der regierenden Volkspartei. "Armee und Polizei sollten unparteiliche staatliche Institutionen sein. Aber in der Wahlkampf-Periode haben sie die Kampagne von Ministerpräsident Hun Sen und seiner Regierungspartei geführt", sagt Brad Adams, Asien-Experte bei Human Rightes Watch. Er beschreibt die Sicherheitskräfte als "einen Arm der Regierungspartei" und warnt davor, dass diese öffentliche Parteinahme in vielen Teilen des Landes eine "einschüchternde Atmosphäre" für die Wähler schaffe.
Außerdem zeigte sich in den vergangenen Monaten, dass es erhebliche Mängel in den Wählerlisten gibt. Das amerikanische gemeinnützige "National Democratic Institute" fand bei einer Prüfung heraus, dass 10 Prozent der registrierten Wähler sogenannte "Geisterwähler" sind, also gar nicht existieren. Umgekehrt sollen rund 11% der Kambodschaner, die ihre Stimme am 28. Juli abgeben wollen, gar nicht im Wählerverzeichnis aufgeführt sein. Das bedeutet, dass etwa eine Million Wahlberechtigte nicht wählen dürfen, während andererseits rund eine Million "Geisterwähler" theoretisch eine Stimme abgeben können. In einem Land mit rund 9,5 Millionen Wählern ist das ein beträchtlicher Anteil. Die Opposition sieht darin ein erhebliches Manipulationspotential.
"Alles beim Alten"
Hun Sen und die Regierungspartei CPP sind Studien zufolge sehr populär in ländlichen Gebieten, dort, wo die meisten Wähler leben. Die politische Beobachterin Chea Vannath erklärt den Grund: "In Kambodscha herrscht seit 15 Jahren Frieden, und die ältere Generation will auf Nummer Sicher gehen und wird deshalb die CPP wählen." Das Königreich kann zudem auf eine zweistellige Wachstumsrate in den letzen zehn Jahren und eine deutlich verbesserte Infrastruktur verweisen. "Zwar ist vieles in dieser Entwicklung auf Kosten der Menschen geschehen, aber andererseits haben sie auch von der Politik der Regierungspartei profitiert", so Chea Vannath. Ihre Prognose für den Wahlausgang: "Alles in allem, und trotz Rainsys Rückkehr, ist es mehr als wahrscheinlich, dass bei den Wahlen alles beim Alten bleibt."