Begrenzter Einfluss
17. Juli 2014In Frankreich protestieren Menschen gegen die Bombardierung des Gaza-Streifens durch israelische Truppen. In Deutschland fordert der Zentralrat der Juden mehr Solidarität mit dem Staat Israel, der von palästinensischen Geschossen getroffen wird. In den Mitgliedsstaaten ist das Thema Nahostkonflikt von je her umstritten.
Die Europäische Union versucht, offiziell stets eine neutrale Haltung zu bewahren. Herman Van Rompuy, der Ratspräsident der EU, richtete deshalb mahnende Worte an beide Konfliktparteien. "Wir verurteilen den Raketenbeschuss Israels vom Gaza-Streifen aus und den wahllosen Beschuss von Zivilisten. Wir bedauern zutiefst die Toten und Verletzten im Gaza-Streifen, die der israelische Militäreinsatz fordert. Wir sind über die dramatische und schnelle Verschlechterung der Versorgungslage dort sehr besorgt", sagte Van Rompuy in der Nacht zu Donnerstag nach dem Gipfeltreffen der EU in Brüssel.
Eine konkrete Rolle der EU oder eine Vermittlungsmission beschlossen die Staats- und Regierungschefs nicht. Es blieb bei allgemeinen Appellen, die Herman Van Rompuy verlas. "Wir fordern sowohl Israel als auch die palästinensischen Behörden auf, so zu handeln, dass Menschenleben verschont werden. Wir wiederholen unseren Aufruf, zu verhandeln und Frieden zu schaffen."
"Israel hat Recht auf Selbstverteidigung"
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt ihre Hoffnung auf die kurze Waffenruhe, die Israel und die palästinensische Hamas vereinbart haben. Die EU werte das israelische Vorgehen als Selbstverteidigung. "Wir haben noch einmal betont, dass Israel, natürlich unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit, das Recht hat, sich und seine Interessen zu verteidigen", sagte Merkel Journalisten in Brüssel.
Die Europäische Union versucht seit Jahrzehnten in dem Konflikt im Nahen Osten zu vermitteln. Sie ist Teil des sogenannten "Nahost-Quartetts", das sie gemeinsam mit den USA, Russland und den Vereinten Nationen 2002 gegründet hat. Diverse Friedenspläne und Anläufe zur Vermittlung scheiterten bislang. Die EU bekennt sich, wie die übrigen Quartett-Mitglieder zu einer "Zwei-Staaten-Lösung", also einem Staat Israel und einem Palästinenserstaat, der aus dem Westjordanland, Teilen Jerusalems und dem Gazastreifen bestehen sollte.
Druck auf beiden Seiten?
Die radikale Hamas wird von der EU als Terrororganisation betrachtet. Eine direkte Zusammenarbeit wird abgelehnt. Seit die Hamas den Gazastreifen de facto übernommen hat, sind Gespräche mit der palästinensischen Seite insgesamt erheblich erschwert worden, heißt es von Seiten des Auswärtigen Dienstes der EU. Die israelische Abriegelung des Gaza-Streifens und die Errichtung immer neuer jüdischer Siedlungen im Westjordanland hat die EU seit 2010 mehrfach verurteilt. Praktische Auswirkungen habe das nicht gehabt, bedauert der italienische Europa-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri. Die EU solle deshalb ihre wirtschaftliche Macht einsetzen, fordert der sozialistische Abgeordnete: "Wir sind der größte und wichtigste Geldgeber für die palästinensische Autonomiebehörde und wir sind der größte Handelspartner für Israel. Diese finanziellen Druckmittel zu nutzen, liegt jetzt in unserer Macht. Wir sollten nicht den USA alleine das Feld für Verhandlungen überlassen. Europa ist in der Pflicht."
Nach Angaben des Auswärtigen Dienstes der EU zahlt Europa jährlich rund eine Milliarde Euro für humanitäre Hilfe an die Palästinenser, für die Finanzierung der Palästinenserbehörde in Ramallah und diverse Förderprojekte. Sie ist damit weltweit der größte einzelne Geber für die Palästinenser. Der konservative Europaabgeordnete Geoffrey van Orden aus den Niederlanden stellte in der Debatte des Europaparlaments zum Nahen Osten am Mittwoch diese Fragen: "Ich möchte einmal wissen, welchen Druck die Europäische Union eigentlich auf die Palästinenser ausgeübt hat, um sie an den Verhandlungstisch zu bringen? Was bringt das ganze Geld? Welche politische Dividende haben wir für unsere Investition bekommen?" Der rumänische Abgeordnete Victor Bostinaru forderte die Außenbeauftragte Catherine Ashton auf, sich aktiver in die Suche nach einer Lösung einzuschalten. "Unsere Rolle, die Rolle der EU, muss es sein, die Spannungen abzubauen und zu vermitteln, und zwar dauerhaft und mit Nachdruck."
Außenminister beraten Grenzkontrolle
Die Außenminister der Europäischen Union werden am kommenden Dienstag über die Lage in Israel und den Palästinensergebieten beraten. Frankreich wird vermutlich die Wiederbelebung einer Grenz-Mission der EU vorschlagen. Der französische Außenminister Laurent Fabius hatte das vor einigen Tagen angeregt, aber auf dem EU-Gipfel an diesem Mittwoch hat der französische Präsident Francois Hollande das Thema offenbar nicht angesprochen.
Vom November 2005 bis Juni 2007 hatte die EU zusammen mit Ägypten, Israel und der Palästinenserbehörde den Übergang Rafah an der Grenze Gaza-Ägypten überwacht. Die "European Border Assistance Mission" (EUBAM) wurde nach der Machtübernahme der Hamas im Gaza-Streifen aber ausgesetzt und der Grenzübergang wieder geschlossen. Seit 2008 hat die EU immer wieder signalisiert, dass sie bereit wäre Rafah und auch andere Grenzübergänge zu kontrollieren.