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Fatah und Hamas: Einigung zum Jubiläum

Kersten Knipp1. Juni 2014

Zum 50. Jahrestag der PLO-Gründung stehen Fatah und Hamas vor der Bildung einer Einheitsregierung. Die dürfte einen pragmatischen Kurs verfolgen - und Israel vor ganz neue politische Herausforderungen stellen.

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Hamas-Chef Chaled Maschaal im Gespräch mit Mahmud Abbas, 5.5. 2014 (Foto: Reuters)
Hamas-Chef Chaled Maschaal im Gespräch mit Mahmud AbbasBild: reuters

Ein halbes Jahr hatten Palästinenser und Israelis unter Federführung der USA miteinander verhandelt. Am Ende drohten die Gespräche ins Leere zu laufen. Nichts schien aus Perspektive der Palästinenser mehr zu gehen, und so überraschte die Fatah-Führung die israelischen und amerikanischen Gesprächspartner mit einer spektakulären Neuigkeit: Man habe sich mit der islamistischen, den Gaza-Streifen regierenden Hamas darauf geeinigt, eine Einheitsregierung zu bilden. Später würden auch Neuwahlen stattfinden. Am Montag (02.06.2014) soll das Kabinett vereidigt werden. Als Reaktion auf den Schulterschluss der beiden lange verfeindeten palästinensischen Parteien stoppte Israel die – ohnehin auslaufenden – Friedensgespräche. Für Israel – wie auch für die EU – ist die Hamas eine terroristische Organisation, mit der der jüdische Staat nicht verhandeln will.

Die Einigung kommt pünktlich zum 50. Jahrestag der Gründung der PLO. Das war zwar nicht geplant, weist aber doch auf die Entwicklung hin, die die PLO ebenso wie die 1987 gegründete Hamas in den letzten Jahren durchlaufen haben. Halten sie die nun getroffenen Vereinbarungen und Absichtserklärungen ein, dürften die Palästinenser sich den Israelis fortan unter ganz anderen Vorzeichen präsentieren als bislang.

Schritt in Richtung Frieden

Vor allem die Hamas habe sich politisch neu ausgerichtet, erklärt Nabil Amr, bis 2003 Informationsminister im Westjordanland. Für die Fatah war es notwendig, die Hamas davon zu überzeugen, Israel anzuerkennen oder ihren Kabinettsmitgliedern zumindest zu erlauben, die Anerkennung Israels zu akzeptieren. "Das war ein sinnvoller Schritt in Richtung Frieden." Nun hoffe er, dass Israel und die USA diesen Schritt auch honorieren würden. Die Palästinenser hätten sich jedenfalls bewegt, um im Friedensprozess einen Durchbruch zu erzielen. Zugleich komme die neue Einheitsregierung einer weiteren israelischen Forderung entgegen. "So können wir zeigen, dass wir das gesamte Palästina repräsentieren", sagt Amr der DW.

Mahmud Abbas übergibt Rami Hamdallah die Ernennungsurkunde als Premierminister, 29.5. 2014 (Foto: Reuters)
Der Premier und sein Präsident: Ministerpräsident Rami Hamdallah und Mahmud AbbasBild: Reuters

Für die Bildung der Einheitsregierung haben beide Parteien aber auch gute innenpolitische Gründe. Beide haben nach mehreren Jahren an der Macht die Erwartungen ihrer Wähler nicht erfüllt. Die Lebensbedingungen der Palästinenser im Gaza-Streifen haben sich verschlechtert. Insbesondere die Versorgung mit frischem Wasser ist katastrophal. Zugleich beklagen viele Palästinenser den religiös sehr konservativen Kurs der Hamas. Der Fatah wurde immer wieder Korruption vorgeworfen. Außerdem beklagen viele Bürger des Westjordanlands, dass in den Verhandlungen mit Israel über Jahre nichts erreicht worden sei.

Beide Parteien hätten noch weitere Gründe, aufeinander zuzugehen, erklärt Mahdi Abdul Hadi, Direktor der Palästinensischen Gesellschaft zum Studium Internationaler Angelegenheiten Passia. So sei die Hamas nach den arabischen Revolutionen isoliert. Nach dem Sturz des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi vor einem Jahr habe sie einen ihrer wichtigsten Ansprechpartner verloren. "Angesichts von anderthalb Millionen in Gaza eingeschlossenen Menschen kann sich die Hamas diese Isolierung schlicht nicht mehr leisten." Die Fatah hingegen benötige bei künftigen Verhandlungen Rückendeckung in beiden Teilen der palästinensischen Gebiete. "Aus diesen Gründen war die Versöhnung also für beide Seiten unausweichlich."

Hamas denkt um

Die meisten Zugeständnisse, glaubt Hadi, hätte die Hamas machen müssen. Insbesondere in drei Punkten müssten ihre Vertreter umdenken: Die Zwei-Staaten-Lösung anerkennen; sich vom militärischen Widerstand lossagen; und die im Herbst anstehenden Wahlen akzeptieren. "Das alles hat die Hamas akzeptiert", so Hadi im Gespräch mit der DW.

Ein israelischer Soldat blickt aus der Siedlung Itamar auf die palästinensische Stadt Beit Rurik nahe Nablus, 7.8. 2011
Besatzungswirklichkeit im WestjordanlandBild: picture-alliance/dpa

Anfang April hatte der palästinensische Präsident Mahmud Abbas den Antrag auf Mitgliedschaft in 15 internationalen Verträgen und internationalen Organisationen unterzeichnet. Ziel ist es, den Konflikt mit Israel weiter zu internationalisieren und die israelische Politik im Westjordanland in absehbarer Zeit auch vor einem internationalen Gericht verhandeln zu lassen. Zugleich haben diese Verträge aber auch disziplinierende Wirkung auf die Palästinenser selbst. Die Verträge stellen etwa im Hinblick auf Menschenrechte Anforderungen, die sie nun ihrerseits erfüllen müssen.

Weitere Politisierung des Konflikts

In Richtung dieser Selbstdisziplinierung und auch eines Pragmatismus weise nun auch die Übereinkunft mit der Hamas, sagt Nabil Amr. So hätten die weltanschaulichen Differenzen zwischen der säkular ausgerichteten Fatah und der islamisch orientierten Hamas keine Rolle gespielt. "Wir sprechen allerdings auch nicht über eine neue Einheit zwischen Fatah und Hamas. Wir sprechen über eine neue Plattform." Die diene dazu, einen unabhängigen palästinensischen Staat zu gründen. "Das hat mit ideologischen Fragen nichts zu tun. Es geht einzig um ein politisches Anliegen."

Abbas und der israelische Premier Benjamin Netanjahu, 1.9. 2010 (Foto: AFP)
Nach den Verhandlungen ist vor den Verhandlungen: Abbas und der israelische Premier NetanjahuBild: CHRIS KLEPONIS/AFP/Getty Images

Fatah und Hamas haben sich zu einem pragmatischen Kurs entschlossen. Die künftige Einheitsregierung könnte Israel in zentralen Forderungen weit entgegenkommen. Damit setzen Hamas und Fatah den jüdischen Staat unter Druck. Der muss nun zeigen, wie er auf die neue Einheit der Palästinenser reagiert.