"Elektroautos werden attraktiv"
14. März 2017Deutsche Welle: Herr Sauer, Sie sind Professor für Speichersysteme und eröffnen jetzt die Energy Storage Europe, die internationale Speichermesse in Düsseldorf. Vor allem die Batterien boomen. Warum?
Ganz wesentlich ist die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie. In den letzten Jahren sanken die Preise erfreulicherweise sehr stark und so ergeben sich fast täglich neue Anwendungsfelder. Eine Elektrifizierung wird so in vielen Bereichen erstmalig möglich.
Für den Durchbruch zur Elektromobilität ist der Preisverfall wichtig. Wo liegen die Preise?
Bei Autobatterien liegen die Einkaufspreise bei 100 bis 120 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität. Dazu kommen noch Kosten für Verschaltung, Kühlung und Batterie-Management von etwa einem Drittel.
Was kostet der Batteriesatz für einen PKW?
Das ist sehr unterschiedlich. Für den neuen Smart mit etwa 18 Kilowattstunden kostet der Batteriesatz etwa 2500 bis 3000 Euro und reicht dann für 150 Kilometer. Größere Fahrzeuge wie der Tesla mit haben einen Speicher mit bis zu 90 Kilowattstunden und können dann damit etwa 420 Kilometer fahren. Da liegt der geschätzte Einkaufspreis für den Batteriesatz zwischen 12.000 und 14.000 Euro.
Und wie hoch waren die Preise früher?
Vor zehn Jahren waren die Preise für Fahrzeugbatterien etwa fünf bis acht Mal so hoch. Es gab also eine wesentliche Preisreduktion in wenigen Jahren. Wir denken, dass der Preis jetzt nicht mehr mit dieser Geschwindigkeiten abfallen wird. Aber eine Kostensenkung von 25 bis 30 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre ist sehr wahrscheinlich.
Was bedeutet das für die Elektromobilität?
Durch die gesunkenen Kosten für Batterien werden jetzt die Preise für E-Autos attraktiv. In der Oberklasse verkauft sich der Tesla erstaunlich gut und auch alle traditionellen Automobilhersteller arbeiten an ähnlichen Fahrzeugen mit Reichweiten um die 400 Kilometer.
Bei den günstigeren Fahrzeugen sind die Anschaffungskosten von E-Autos noch höher als bei Modellen mit Verbrennungsmotor. In der gesamten Kostenrechnung kann es aber schon wirtschaftlicher sein und dies gilt vor allem für Berufspendler.
Bei einer entsprechenden Nutzung lohnen sich Elektrofahrzeuge schon heute. Im Bereich des Lieferverkehrs ist die Deutsche Post dafür ein Beispiel. Hier wurden E-Fahrzeuge für die Paketzustellung ausgelegt und sind somit günstiger als die mit Verbrennungsmotor.
Elektroautos lohnen sich zunehmend. Was sind die Folgen?
Die Elektromobilität wird ziemlich schnell ziemlich groß werden, zumindest ab 2019, 2020. Es gibt große Planungen bei den Unternehmen mit mehreren hundertausend Fahrzeugen.
Der Grund liegt aber nicht an der Schönheit von Elektroautos, sondern am steigenden Druck: In Europa dürfen ab 2020, 2021 Neufahrzeuge nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Mit konventionellen Autos erreicht man dieses Ziel auf der Straße nur sehr schwer. Verstärkt wird der Trend zur Elektromobilität zudem durch das Verbot von Dieselfahrzeugen.
Batterien altern. Wie lange halten sie?
Die heute verbauten Batterien reichen für 300.000 Kilometer. Das ist deutlich mehr als die Laufleistung eines normalen Pkw. Noch relativ wenig Daten gibt es über die sogenannte kalendarische Alterung. Ziel ist eine Lebensdauer von wenigstens zehn Jahren, besser 15 Jahren. Wir sind sehr optimistisch, dass eine Lebensdauer von zehn Jahren erreicht werden wird.
Elektromobilität braucht Ladestationen. Wie ist hier die Situation?
Es gibt Planungen für eine Ladeinfrastruktur entlang der wichtigsten Autobahnen. Für längere Strecken werden Zwischenladungen gebraucht und jetzt wird über super-schnelle Ladestationen diskutiert.
Bisher laden Besitzer von Elektrofahrzeugen nur bei sich Zuhause auf. In den Innenstädten besteht jedoch großer Handlungsbedarf. Hier werden Steckdosen an Laternen und Parkplätzen gebraucht.
Welche Länder treiben die Batterietechnik und Elektromobilität voran?
In Korea, Japan und China sind heute die wichtigsten Batteriehersteller. Dort werden vor allem die Batteriezellen produziert. Die Weiterverarbeitung - das sogenannte Packaging - geschieht dann auch bei den Automobilherstellern in Deutschland.
Bei der Einführung der Elektromobilität geht China voran. Die Autohersteller sollen verpflichtet werden, dass ab 2018 acht Prozent ihrer verkauften Neuwagen Elektrofahrzeuge sind und 2020 schon zwölf Prozent. In Europa ist der Druck noch nicht so groß, dementsprechend sind die Aktivitäten auch geringer.
Deutschland hinkt bei der Batterietechnik hinterher. Kann es noch aufholen?
Es ist eindeutig sehr spät. Ich bin aber optimistisch, dass noch etwas passiert. Es gibt die Chance, aber nicht ohne viel Geld. Die deutsche Politik hat den Wunsch, diese Technik zu haben. Die Batterie ist für die Automobilbranche wichtig. Etwa ein Drittel der Wertschöpfung ist bei modernen Fahrzeugen die Batterie.
Befürchtet wird auch, dass die Elektronikkonzerne, die die Batteriezellen derzeit herstellen, demnächst nur noch verbaute Batteriepacks verkaufen und dann den ganzen Antriebsstrang mit Elektromotor. Das wäre eine sehr starke Bedrohung für viele Unternehmen in Deutschland.
Batterien werden aber auch in anderen Bereichen wichtig. Wie ist hier die Entwicklung?
Heute regeln konventionelle Kraftwerke die Frequenz in Stromnetzen. Das kann aber auch von Batterien übernommen werden und so werden aktuell solche Batterieanlagen gebaut und betrieben. Dieser Markt könnte deutlich zunehmen.
Ein weiterer Markt läuft fast schon von alleine. Das sind Speicher für Strom aus Photovoltaik. In Deutschland gibt es schon über 40.000 Hausspeicher.
Gleichzeitig leben noch weltweit 1,5 Milliarden Menschen ohne Stromnetz. Und durch die sehr starke Kostensenkung bei der Photovoltaik ist eine komplette Versorgung über 24 Stunden mit Batterien für viele sehr interessant geworden.
Dirk Uwe Sauer ist Professor für elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der Universität (RWTH) Aachen und Konferenzleiter der Fachmesse Energy Storage Europe in Düsseldorf.
Das Interview führte Gero Rueter