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Eletrobras soll privatisiert werden

Alexander Busch Salvador da Bahia
2. März 2021

Auch wenn kaum jemand daran glaubt, hoffen es viele. Wenn Brasiliens größter Stromkonzern der politischen Einflussnahme entkommen könnte, würde es der Wirtschaft des Landes einen Produktivitätsschub bringen.

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Brasilien Eletrobras-Wasserkraftwerk Belo Monte
Bild: picture-alliance/dpa/Misereor/F. Kopp

Die Überraschung begann mit einem symbolischen Akt in Brasilia am 23. Februar: Da überquerte Präsident Jair Bolsonaro am frühen Abend im Eilschritt mit zahlreichen Ministern den Platz der drei Gewalten, um dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer im Kongress persönlich ein Dokument zu übergeben. Das Dekret MP 1.031/2021. Damit leitet die Regierung Bolsonaro offiziell die Privatisierung der staatlichen Eletrobras ein.

Mit der der spontanen Aktion will Bolsonaro deutlich machen, dass es ihm weiterhin ernst ist mit der Privatisierung wichtiger Staatskonzerne. Das hatte er im Wahlkampf versprochen - aber bisher nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil. In den zwei Jahren als Präsident hat er den Einfluss des Staates ausgeweitet. Er hat nicht ein wichtiges Staatsunternehmen privatisiert, sondern staatliche kontrollierte Konzerne noch enger an die Kandare genommen, so wie gerade Petrobras oder die Banco do Brasil.

Vom Big Player zum Mitläufer

Umso überraschter waren Investoren und politische Beobachter über die Aktion - und reagierten spontan positiv. Die Aktie legte um fast 30 Prozent zu. Der Grund: Viele Investoren hoffen, dass die Privatisierung des größten Stromkonzerns Brasiliens endlich dessen Niedergang beenden wird. Dann wäre der Weg frei für private Investoren, die in die Stromproduktion und -transmission investieren. Denn das Unternehmen war einst einer der größten Energiekonzerne weltweit, doch spielt heute global nicht mehr mit im Spitzenfeld der Branche. Mit Produktionskapazitäten von 51 Gigawatt produziert Eletrobras nur noch rund ein Drittel des brasilianischen Stroms. Durch seine Stromleitungen läuft noch rund die Hälfte des gesamten Stroms.

Das Atomkraftwerk Angra in Brasilien gehört dem Energiekonzern Eletrobras
Das Atomkraftwerk Angra in Brasilien gehört dem Energiekonzern EletrobrasBild: picture-alliance/dpa/R.Hirschberger

Seit sechs Jahren investiert der Konzern nur noch einen Bruchteil davon, was nötig wäre. Ohne Neuinvestitionen wird der Anteil von Eletrobras an der Stromproduktion Brasiliens bis 2030 auf ein Viertel und an den Transmissionskapazitäten auf ein Drittel schrumpfen.

Dennoch ist der Konzern für private Investoren attraktiv. Das liegt an seiner nachhaltigen Produktion. Eletrobras gewinnt 96 Prozent seines Stromes mit einem geringen Ausstoß an Treibstoffgasen, also ohne, dass Kohle oder Öl verbrannt werden. Eletrobras ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass 81 Prozent des Stromes in Brasilien nachhaltig produziert werden. Eletrobras betreibt 62 Windparks und 48 Wasserkraftwerke. Itaipú und Belo Monte sind die zwei größten.

Spielball der Politiker

Das Problem von Eletrobras ist jedoch der politische Einfluss: Parteien und Gouverneure betrachten Direktorenposten bei Eletrobras als ihr "Eigentum". 40 Prozent der Führungspersonals seien völlig nutzlos. "Sie existieren nur, um Bonus zu kassieren, haben einen Stellplatz in der Tiefgarage und eine Sekretärin", schimpfte Wilson Ferreia Jr., bis vor wenigen Wochen Präsident von Eletrobras. Auch bei den Großprojekten spielen politische Argumente eine entscheidende Rolle. Über den Bau des Amazonasstaudamms Belo Monte spotten die Politiker, dass es kein Kraftwerk ist, um Strom zu produzieren, sondern um Politiker zu finanzieren. Korruption war bis vor kurzem allgegenwärtig im Konzern.

Itaipu Staudamm in Brasilien
Itaipu-Staudamm und Wasserkraftwerk: Ein Gemeinschaftsprojekt von Brasilien und Paraguay Bild: AP

Der politische Einfluss führt zu Fehlentscheidungen, die den Niedergang des Konzerns in den letzten Jahren beschleunigten. So verfügte die Präsidentin Dilma Rousseff 2012, dass Eletrobras-Unternehmen ihren Strom ab sofort zu 20 Prozent billiger abgeben mussten. Die Folge war, dass der Konzern erstmals in seiner Geschichte Verluste einfuhr, nicht mehr investieren konnte und der Strom für den Konsumenten nachträglich durch Kompensationszahlungen noch weit teurer wurde.

Weil der Konzern so wichtig ist als Spielball der Politik, ist die Skepsis groß, dass es die Regierung nun tatsächlich ernst meint mit der Privatisierung. Zu komplex ist das technische Prozedere, zu viele Institutionen sind daran beteiligt, zu vehement wird der politische Widerstand sein. Zudem hilft auch der politische Kalender nicht: 2022 finden Wahlen statt.

Wilson Ferreira, der den Konzern vier Jahre fit machte, schmiss Ende Januar das Handtuch, weil er keine Chancen mehr sah für eine Privatisierung. Elena Landau, eine der führenden Privatisierungsexpertinnen ist ebenfalls skeptisch: "Ich habe noch nie gesehen, dass eine Privatisierung funktionieren kann inmitten von Wahlen, mit einem Präsidenten, der dagegen ist." Dennoch sagt sie: Es sei wichtig, dass diese Privatisierung stattfinde, um den Konzern zu schützen.