Gleichwertige Partner
23. Oktober 2012
Deutsche Welle: Herr Brok, wie würden Sie das Verhältnis zwischen der EU und den USA unter der bisherigen Präsidentschaft Obamas beschreiben?
Elmar Brok: Auf der Arbeitsebene besteht ein gutes Verhältnis. Aber die EU und die USA haben bisher keine strategischen Akzente setzen können, die dazu führen, dass Europäer und Amerikaner in dieser sich wirtschafts- und machtpolitisch verändernden Welt enger zusammenarbeiten. Ich hoffe, dass die Vorschläge einer hochrangigen Arbeitsgruppe zu den transatlantischen Beziehungen, die von der EU und den USA eingesetzt wurde, dazu führen, dass wir endlich eine Strategie und deren Umsetzung bekommen.
Viele Europäer - und vor allem viele Deutsche - würden es begrüßen, wenn Barack Obama für eine weitere Amtszeit die Geschicke der USA lenken würde. Sollte Mitt Romney die Wahlen gewinnen, könnte es dazu kommen, dass sich das bilaterale Verhältnis abkühlt?
In einem solchen Fall müssen wir zu vernünftigen arbeitsmäßigen Strukturen kommen. Denn die EU und die USA sind in der sich verändernden Welt so aufeinander angewiesen, dass es keine andere Wahl gibt. Ich glaube, dass wir auch in diesem Fall das Ziel eines transatlantischen Marktes anstreben müssen. Ich hoffe, dass das dann auch mit einem US-Präsidenten Romney möglich sein wird.
Die USA orientieren sich zunehmend Richtung Asien. Mit dem Machtzuwachs Chinas verschieben sich die geopolitischen Machtverhältnisse. Wie wichtig ist Europa überhaupt noch für USA?
Die Handelsbeziehungen und Direktinvestitionen zwischen den USA und Europa sind in beide Richtungen die bei weitem stärkste wirtschaftliche Verbindung. Deswegen ist, wenn man sich die Wirtschaftszahlen anschaut, die Fokussierung auf China von beiden Seiten unbegründet. Es ist völlig klar, dass aufgrund der globalen Veränderungen, die wir erleben, nur ein Europa und ein Amerika in der Zusammenarbeit in der Lage sind, politische Fakten oder auch industrielle Standards durchzusetzen. Deshalb gibt es ein erhöhtes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit.
Wie stark steht diese Zusammenarbeit angesichts der Finanzkrise in Europa unter Druck? Die Amerikaner drängen durchaus massiv darauf, vor allem bei Bundeskanzlerin Merkel, die Krise schnell in den Griff zu kriegen.
Wir werden sehen. Wenn es die Europäer schaffen, mit ihrer Politik der Schuldenbegrenzung, der Regulierung des Finanzmarktes und der strukturellen Veränderungen eine höhere Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, dann stehen sie im Jahre 2014 besser da als die Amerikaner, die ja nichts dergleichen machen. Die USA einigen sich bisher nur darauf, in welchem Umfang das Haushaltsdefizit erhöht werden kann und was die Höchstgrenze ist. Die Eurozone hat heute eine geringere Staatsverschuldung als die Amerikaner. Wir haben weit weniger Aufkäufe von eigenen Staatsanleihen durch die Zentralbank, als das bei den Amerikanern der Fall ist. Ökonomisch gesehen ist die Situation in Europa eigentlich sehr viel besser. Nur das Vertrauen muss aufgebaut werden.
Im Bündnis mit den USA ist die Europäische Union eher der schwächere Partner. Überspitzt gesagt sind die Amerikaner Koch und die Europäer Kellner. Nun wird in der EU vermehrt über eine politische Union gesprochen. Brüssel solle mehr Macht erhalten. Wäre das ein Weg für Europa, um sich von den USA ein Stück weit mehr zu emanzipieren, um eigene Positionen vermehrt durchsetzen zu können?
Es geht nicht darum, sich zu emanzipieren, sondern zum echten, gleichwertigen Partner zu werden. Ich glaube, dass wir Europäer auf militärischem Feld sehr viel mehr Synergieeffekte finden müssen. Beispielsweise bei Beschaffung, Forschung und Zusammenlegung von Armeen in bestimmten Bereichen. Die EU-Mitgliedsstaaten geben etwa die Hälfte des Geldes für Verteidigungspolitik aus - mit nur einem geringeren Ergebnis von zehn Prozent an Effizienz, weil wir noch zu sehr geteilt sind. Aber wir sollten etwas anderes in Betracht ziehen: Die Europäische Union gibt aus dem EU-Haushalt für präventive Außenpolitik, für Auslandshilfe, für Nachbarschaftspolitik und vieles anderes mehr drei Mal so viel Geld aus wie die Amerikaner. 60 Prozent der Entwicklungshilfe dieser Welt werden von Europa und den EU-Mitgliedsstaaten bezahlt. Ich glaube, wir sollten dies sehr viel stärker in den Vordergrund rücken, um deutlich zu machen, dass wir unsere Pflicht in der Welt schon heute wahrnehmen. Wir sollten uns nicht immer von den Amerikanern unter Druck setzen lassen, als seien nur militärische Ausgaben entscheidend.
Elmar Heinrich Brok ist Mitglied der CDU und seit 1980 EU-Parlamentarier. Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten und stellvertretendes Mitglied im Europaausschuss des Deutschen Bundestages beschäftigt sich Brok intensiv mit der Zukunft der Europäischen Union und dem transatlantischen Verhältnis.