Empfang zweiter Klasse: Chinas Staatspräsident besucht die USA
19. April 2006Hu Jintao hat seinen ersten Besuch in den USA in seiner Funktion als chinesischer Staatspräsident am Dienstag (18.4.2006) nicht in der Hauptstadt Washington begonnen, wo er erst am 20. April mit Präsident Bush zusammentreffen wird, sondern in Seattle. Damit will er demonstrieren, dass China das Problem des Schutzes geistigen Eigentums sehr ernst nimmt, der bilaterale Handel bei seinem Besuch den zentralen Raum einnimmt und nicht zuletzt, dass alle Probleme schon im Vorfeld bereinigt werden sollen, bevor der symbolische Höhepunkt seines Besuchs stattfindet.
Ein symbolischer Auftakt
In Seattle besuchte er zunächst Microsoft. Nach einem vor wenigen Tagen von einem Ausschuss des US-Kongresses veröffentlichten Bericht sind China und Russland allein im Jahre 2005 für einen Schaden durch Raubkopien im Wert von vier Milliarden Dollar verantwortlich. US-Softwareverbände gehen sogar davon aus, dass 90 Prozent aller in China verwendeter Computer-Software illegal kopiert ist. Bei Microsoft war Hu Jintao bemüht, seine Gastgeber vom Willen Chinas zur Bekämpfung des Problems überzeugen und die von der seiner Regierung beschlossenen Maßnahmen bekannt geben. Dazu gehört, dass ab sofort alle in Asien verkauften Computer mit legaler Software vorgerüstet werden und dass der Begriff "Schutz des geistigen Eigentums“ Eingang in die Schulbücher finden wird. Dafür verlangt China größere Rabatte beim Kauf von Software. "Wir nehmen unser Versprechen sehr ernst", so Hu, der im Anschluss an seinen Firmenbesuch von Microsoft-Gründer Bill Gates zu einem Essen in dessen Villa eingeladen war.
Bei seinem Besuch bei Boeing am Mittwoch wird Hu Jintao einen bereits ausgehandelten Deal feierlich besiegeln. Es war von einer Bestellung von 80 Boeing 737 die Rede, zusätzlich zu den 70, die bereits im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben wurden. Die sich daraus ergebende Gesamtstückzahl von 150 entspricht genau der Anzahl von A320, die die Chinesen im vergangenen Jahr bei Airbus in Europa bestellt haben. "Unsere Wünsche sind eher bescheiden, wir wollen nur auf der gleichen Höhe sein wie die Europäer", hatte Boeing verlauten lassen. Hu Jintaos Besuch bei Boeing zielt also darauf, ein "zwischenatlantisches" Gleichgewicht auf der Ebene der finanzstärksten Geschäfte zu demonstrieren, um damit Argwohn zu zerstreuen.
Bewegung im Handelskonflikt
Der bilaterale Handel ist eindeutig das zentrale Thema von Hus Besuch. Vor ihm hatte eine 200-köpfige Delegation unter der Leitung der Vizepremierministerin Wu Yi, zuständig für Chinas Außenhandel, das Land bereist und Waren im Wert von 15 Milliarden Dollar gekauft. Im Gegenzug hatten zwei einflussreiche US-Senatoren und Handelsminister Gutierrez China ihre Visite gemacht. Die Senatoren Charles Schumer und Lindsey Graham waren in der Absicht gekommen, sich vor Ort ein Bild zu machen und danach zu entscheiden, ob über den von ihnen in den Senat eingebrachten Gesetzentwurf, auf alle Exportwaren aus China einen Strafzoll von 27,5 Prozent zu verhängen, Ende März abgestimmt werden soll. Nach einwöchigem Aufenthalt in Peking, Schanghai und Hongkong veranlassten sie, zurück in den USA, die Vertagung der Entscheidung über ihren Entwurf auf Ende September 2006.
Handelsminister Gutierrez traf Wu Yi gleich zwei Mal binnen zweier Wochen, in Peking und in Washington, auf dem jährlich stattfindenden sino-amerikanischen Handelsgipfel. Seine fast gebetsmühlenartig verkündete Botschaft lautet: Die US-Regierung wünsche sich eine gute Beziehung zu China, wobei die Angelegenheiten des Handels verbesserungsbedürftig seien. Falls China sich aber nicht ausreichend bemühe, Maßnahmen zur Reduzierung seiner Handelsüberschüsse und zum Schutz geistigen Eigentums zu ergreifen, seien Sanktionen unvermeidlich. Solche Sanktionen sollten dann nicht nur vom US-Kongress kommen, auch eine Klage bei der WTO wird erwogen.
Umstrittenes Protokoll
Die chinesischen Handelüberschüsse gegenüber den USA betrugen 202 Milliarden Dollar im Jahr 2005. Darin besteht die eigentliche Quelle aller Unruhen. Im amerikanischen Volk wächst neben Angst auch Unmut gegenüber der immer größer werdenden fernöstlichen Wirtschaftsmacht. Für den Verlust von zwei Millionen Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe seit 2000 wird China verantwortlich gemacht. Der Druck auf Regierung und Abgeordnete wächst, wirksame Schritte gegen einen unfairen Wettbewerb zu unternehmen, der sich nach Auffassung der USA aus einer künstlich niedrig gehaltenen chinesischen Landeswährung ergibt. Der chinesische Handelsminister Bo Xilai hält dem entgegen, dass der Hauptgrunde für die unausgeglichene Handelsbilanz im Verbot der USA zu suchen sei, Hochtechnologie nach China zu exportieren. Zudem stammen 60 Prozent aller chinesischen Exporte aus Unternehmen mit ausländischer Beteiligung. Dazu gehören auch zahlreiche US-Unternehmen, die von den billigen Arbeitskräften in China profitieren.
Das Protokoll in Washington deklariert Hu Jintaos Visite nicht als Staatsbesuch, während in Peking gerade dieser Begriff für den Besuch vehement in Anspruch genommen wird. Laut der Zeitung "The New York Times" verfolgt George W. Bush damit die Absicht, in der gegenwärtigen angespannten Lage dem chinesischen Staatoberhaupt auf diese Weise einen gezielten Dämpfer zu geben, um der Stimmung im Lande zu entsprechen. Gerade der Symbolik aber kommt in der chinesischen Kultur die ausschlaggebende Bedeutung zu. Darum ringen die Verantwortlichen beider Seiten seit Monaten um eine angemessene Auslegung des Protokolls. Immerhin war ja Hus Vorgänger Jiang Zemin von Präsident Clinton 1997 ein Staatsbesuch gewährt worden. Zum Ausgleich für das fehlende Staatsdinner wollte Bush Hu Jintao auf seine private Ranch einladen. Das hat Hu abgelehnt.
Die weiteren Themen
Selbstverständlich beschränkt sich Hus Besuch, der wegen Hurrikan "Katrina" verschoben wurde und am 21. April endet, nicht auf den Bereich Handel. In einer aktuellen Frage-Antwort-Stunde sagte Bush am 10. April, dass er neben der Handelsfrage auch die Themen Menschenrechte, Religionsfreiheit und Taiwan mit dem chinesischen Staatspräsidenten besprechen möchte. Auf die zuerst genannten Themen dürfte der Gast aus China vorbereitet sein und beim Thema Taiwan ist nichts Neues zu erwarten - denn Peking weiß spätestens seit der Abschaffung des Vereinigungsrates durch den taiwanesischen Präsident Chen Shui-bian Ende Februar, dass die USA nur noch begrenzten Einfluss auf Taiwans Politik haben. Interessant könnte es aber werden, wenn das Thema Iran und seine jüngsten Atomprovokationen zu Sprache kommen. Hier kann Bush von seinem Gast interessante Beiträge erwarten.