Energiewende? Ja, aber...
12. August 2013Das Warmwasser für die Morgendusche erhitzen Solarkollektoren auf dem Dach, zum Bio-Müsli gibt es Bio-Joghurt aus dem Glas, die Zeitung ist auf Ökopapier gedruckt und zur Arbeit geht es mit dem Elektroauto. Dass so der ideale Morgen aussehen könnte, finden in den letzten Jahren immer mehr Deutsche - zumindest in der Theorie. Etliche Studien haben gezeigt, dass sich die Deutschen gern überdurchschnittlich umweltbewusst äußern.
Schon im Februar 2011, also rund einen Monat vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima, befürwortet nur noch ein Drittel der Befragten Atomkraftwerke zur Stromerzeugung. Ein Jahr nach Fukushima, im Januar 2012, sind 61 Prozent bereit, mehr für Strom zu zahlen - vorausgesetzt er ist nachhaltig erzeugt.
Steigende Kosten, weniger Unterstützung
Nun, zwei Jahre nach der sogenannten "Energiewende" in Deutschland, scheint diese breite Unterstützung für das Regierungsprojekt allerdings zu schwinden. Nach einer neuen Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) steht mittlerweile fast jeder Zweite der Energiewende kritisch gegenüber. Nur 40 Prozent sind mit der Art einverstanden, wie sie umgesetzt wird. Aber: Für zwei Drittel der Verbraucher überwiegen immerhin die Vorteile der Energiewende für die Umwelt.
Ein Grund für den Unmut über die Vorgehensweise: die Erhöhung der EEG-Umlage Anfang des Jahres. Sie ist der Teil des Strompreises, der vom Endverbraucher für die Förderung erneuerbarer Energien zu entrichten ist. Davon sind energieintensive Unternehmen jedoch befreit. Folge ist eine Bevorteilung der besonders energieintensiven Schwerindustrie, die direkt auf die Verbraucher umgelegt wird. Für Privatleute, Kleinbetriebe und Mittelstandsunternehmen steigen 2013 deshalb erneut die Strompreise. Erstmals wächst die finanzielle Unterstützung der Großkunden durch die übrigen Stromverbraucher auf über sieben Milliarden Euro, wie das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien ausgerechnet hat. Mit diesem Zugeständnis an Großbetriebe will die Bundesregierung den Industriestandort Deutschland stärken.
Den Bürgern, so zeigt die aktuelle Studie, war bisher allerdings noch nicht zu vermitteln, warum gerade die umweltschädlichsten Unternehmen die geringsten Kosten tragen. "Hier sehe ich großen Aufklärungsbedarf seitens der Politik", so Holger Krawinkel, der die Studie für die vzbv mitverantwortet hat.
"Stromwende" statt Energiewende
Theoretisch umfasst die Energiewende drei Bereiche: Strom, Wärme und Verkehr. Praktisch ist vor allem von der Stromversorgung die Rede - und gerade hier setzen Kritiker an. "Naturwissenschaftlich gesehen ist die Energiewende eine absurde Angelegenheit", kritisiert der Physiker Horst-Joachim Lüdecke. Er spricht vielmehr von einer "Stromwende" - und die hält er für überflüssig.
Lüdecke bemängelt, dass die erneuerbaren Energien bei Weitem nicht so ergiebig sind wie die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen: "Sie können ihre Hand in einen Sturm halten, aber nicht in einen Kohleofen. Wind hat eine zu geringe Leistungsdichte."
Entsprechend mehr Windparks müssten bei konstantem oder sogar wachsendem Stromverbrauch in Deutschland gebaut werden - und das wird teuer. Weidefläche ginge verloren, Grundstückspreise von Kommunen und Privatleuten würden sinken, wo großflächige Wind- oder Solarparks gebaut würden, rechnet der Experte vor.
Hinzu kommen die Kosten für neue, riesige Stromnetze: Wenn Windparks in der Nordsee - also "da, wo der Wind wenigstens vernünftig bläst" - auch Süddeutschland versorgen müssten, braucht es lange Stromleitungen. "Wenn Sie mit solchen Methoden Energie für eine Industrienation erzeugen wollen, werden die Kosten explodieren", so Lüdecke.
Neuer Ansatz muss her
Lüdecke hält die Energiewende für gescheitert und sieht in der "Rückkehr zur Situation von vor einigen Jahren die einzige vernünftige Lösung". Die Abkehr von fossilen Brennstoffen und Atomstrom hält er für einen Fehler. Krawinkel dagegen gibt sich optimistischer: "Andere Länder zeigen ja, dass es ohne Atomstrom geht, etwa Dänemark oder Österreich. Das große Problem in Deutschland wird aber sein, diese Energiewende nun administrativ vernünftig umzusetzen und nicht jedem Lobbyinteresse nachzugehen." Nicht alle neuen Technologien könnten in gleicher Weise gefördert werden, so Krawinkel. Wenn die Kosten der Energiewende geringer und besser kontrollierbar würden, könnte die Akzeptanz in Deutschland wieder steigen.