Entsetzen über die Terror-Anschläge von London
7. Juli 2005Nach Angaben eines US-Justizbeamten in Washington kosteten die Anschläge auf den öffentlichen Nahverkehr Londons am Donnerstag (7.7.2005) knapp 40 Menschen das Leben. Darüber seien die US-Behörden von ihren britischen Kollegen unterrichtet worden, sagte der Beamte, der nicht namentlich zitiert werden wollte. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete von 33 Toten. Die Londoner Kliniken nahmen mehr als 300 Menschen zur Behandlung auf, etwa die Hälfte war nach Darstellung der Polizei schwer verletzt. Eine Polizeisprecherin sagte am Abend, insgesamt seien etwa 700 Menschen verletzt worden.
Premierminister Tony Blair verurteilte die "terroristischen Angriffe" als barbarisch und eilte vom G8-Gipfel im schottischen Gleneagles in die Hauptstadt zurück. "Es ist besonders barbarisch, dass dies an einem Tag geschehen ist, an dem sich Menschen treffen, die das Problem der Armut in Afrika und die langfristigen Probleme des Klimawandels angehen wollen", sagte Blair mit Blick auf den Schwerpunkt des Gipfeltreffens.
Die Terroristen würden jedoch erkennen, "dass unsere Entschlossenheit, unsere Werte und unseren Lebenswandel zu verteidigen, größer ist, als ihre Entschlossenheit, unschuldigen Menschen Tod und Zerstörung zu bringen, um der Welt ihren Extremismus aufzuzwingen." Der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone verurteilte die Anschläge als Massenmord.
Keine Angaben über Attentäter
Drei Explosionen erschütterten das Londoner U-Bahn-Netz, ein vierter Anschlag zerriss einen Doppeldeckerbus, wie Innenminister Charles Clarke dem Unterhaus mitteilte. Auf Berichte von Online-Medien, wonach sich das Terrornetzwerks Al Kaida zu den Anschlägen bekannte, ging Clarke zunächst nicht ein. "Wir wissen nicht, wer oder welche Organisationen für diese schrecklichen Verbrechen verantwortlich sind", sagte Clarke.
Der öffentliche Nahverkehr wurde nach den Explosionen eingestellt, Linienbusse wurden in Krankenwagen umfunktioniert. In einem Hotel wurde eine Krankenstation eingerichtet, neben Rettungskräften und Polizisten strömten auch Freiwillige herbei, um den blutenden und zum Teil rußverschmierten Überlebenden zu helfen.
Chaos
Der Sender Sky zeigte Bilder eines Doppeldeckerbusses am Russell Square, dessen oberes Geschoss von einer Explosion komplett abgerissen wurde. "Ich saß im Bus davor und hörte einen unglaublichen Knall", sagte eine Augenzeugin der Nachrichtenagentur PA. "Ich drehte mich um und sah, dass der halbe Bus in die Luft geflogen war. Er war mit Menschen voll besetzt."
In den U-Bahn-Stationen King's Cross, Edgeware Road und Aldgate herrschte nach den Explosionen offenbar Chaos. "Alles wurde schwarz, und wir kollidierten mit irgendeinem Zug aus der Gegenrichtung", berichtete der Augenzeuge Bradley Anderson dem Sender Sky News.
Hat die Polizei versagt?
Der Londoner Polizeichef Ian Blair bestätigte gegenüber dem Fernsehsender Sky, an einem der Tatorte seien Sprengstoffspuren gefunden worden. Die Polizei sei in hoher Alarmbereitschaft gewesen, konkrete Hinweise auf einen Anschlag habe es aber nicht gegeben.
Ein israelischer Regierungsbeamter in Jerusalem teilte indes mit, die israelische Botschaft in London sei Minuten vor den Explosionen von der britischen Polizei über eine Terrorwarnung informiert worden. Nahe einem der Explosionsorte fand eine Konferenz unter israelischer Beteiligung statt.
Die Regierung Blair wird deshalb nach den Terror-Anschlägen beantworten müssen, ob Großbritanniens Sicherheitsbehörden zu sorglos mit der Gefahr am Rande des G8-Gipfels umgegangen sind. Zur G8 gehören neben Großbritannien und den USA auch Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, Japan und Russland.
Mitgefühl
Weltweit wurde Großbritannien Mitgefühl und Hilfe versichert. Die deutsche Bundesregierung verurteilte die Terroranschläge auf das Schärfste. "Ich und alle anderen Staats- und Regierungschefs der G8 verurteilen diese heimtückischen Taten, die das Leben und die Gesundheit vieler unschuldiger Menschen gekostet haben", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder. "Wir stimmen darin überein, dass die internationale Gemeinschaft alles tun muss, um den internationalen Terrorismus zu bekämpfen." Papst Benedikt XVI. sprach in Rom von "barbarischen Akten gegen die Menschlichkeit". (mas)