Equal Pay Day: Für Frauen die Hälfte
17. März 2020Der internationale Aktionstag für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen weist Jahr für Jahr auf den Unterschied beim Bruttostundenlohn (Gender Pay Gap) hin. Demnach verdienen Frauen in Deutschland derzeit im Schnitt 20 Prozent weniger als Männer. Doch diese Betrachtung greift zu kurz, wie Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Uni Berlin betonen. Sie haben im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung die Einkünfte eines Erwerbslebens verglichen - und kommen auf völlig andere Zahlen.
Über das gesamte Erwerbsleben hinweg verdienen Frauen demnach nur etwa halb so viel wie Männer. Im Westen liege das erwartete Lebenserwerbseinkommen im Schnitt bei rund 830.000 Euro für Frauen, Männer kommen auf durchschnittlich etwa anderthalb Millionen. In Ostdeutschland sei von rund 660.000 Euro für Frauen und knapp 1,1 Millionen Euro für Männer auszugehen.
Und hier kommt die Familie ins Spiel
Kinderbetreuung und die Pflege Angehöriger spielen dabei eine wesentliche Rolle: Die Erziehung von Kindern führe immer zu einer Minderung des Lebenseinkommens - aber fast ausschließlich bei Müttern und "so gut wie gar nicht" bei Vätern, wie es in der Studie heißt. Denn hauptsächlich Mütter nähmen sich eine Auszeit vom Arbeitsmarkt. Zudem sei Teilzeit für Frauen im Haupterwerbsalter zwischen 30 und 50 die "dominante Erwerbsform". Männer hingegen arbeiteten in dieser Phase mehrheitlich in Vollzeit.
Bei kinderlosen Frauen näherten sich die Einkommen denen der Männer aber an - sofern nicht die Qualifikation verglichen wird: Bundesweit nähmen hochqualifizierte Frauen, die bis 1974 geboren seien, durchschnittlich so viel ein wie geringqualifizierte Männer, heißt es in der Studie weiter. Jüngere Akademikerinnen könnten ein ähnliches Lebenserwerbseinkommen wie mittelqualifizierte Männer erwarten.
"Die derzeit geltende Messgröße, der Gender Pay Gap, verschleiert, wie groß die Kluft zwischen Männern und Frauen beim Einkommen tatsächlich ist", sagte die Arbeitsmarktexpertin der Stiftung, Manuela Barisic. Wer lediglich die Differenz in den Bruttostundenlöhnen erfasse, könne die Ungleichheit im gesamten Erwerbsleben nicht darstellen. Deshalb plädiert die Expertin für den "Gender Lifetime Earnings Gap", der die Lücke in den Lebenserwerbseinkommen abbilde.
Giffey: Lohnlücke zwischen Männern und Frauen "unerhört"
Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) bezeichnete es als "unerhört", dass Frauen in Deutschland über das gesamte Erwerbsleben hinweg weit weniger verdienen als Männer. "Sie bekommen im Schnitt einen geringeren Stundenlohn und eine niedrigere Rente, übernehmen zugleich aber einen großen Anteil der unbezahlten Sorgearbeit", sagte Giffey dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".
Es ist unerhört, dass wir im 21. Jahrhundert noch über solche Unterschiede zwischen Männern und Frauen diskutieren müssen", sagte Giffey. Mit Appellen allein komme man hier nicht weiter. Notwendig seien sowohl ein Kulturwandel in den Unternehmen als auch gesetzliche Vorgaben. "Ohne sie kommen wir in Sachen Chancengerechtigkeit und Gleichberechtigung nicht voran, und wenn, dann nur im Schneckentempo», erklärte die Ministerin. «Frauen haben aber Gleichstellung im Hier und Jetzt verdient."
rb/ml/as (dpa, epd, kna)