Globaler Protektionismus
19. Dezember 2006"Das ist der Beginn einer neuen Ära", kommentierte der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg die am Montag (18.12.) angekündigte Übernahme der Öl- und Gassparten von Norsk Hydro durch den Konkurrenten Statoil. Das neue Unternehmen werde große Werte für Norwegen schaffen, ist sich Stoltenberg sicher. Kaum verwunderlich also, dass der norwegische Staat seinen Anteil am neuen Konzern noch weiter aufstocken will - von 62,5 auf 67 Prozent.
"Weltweiter Trend"
Das Interesse der norwegischen Regierung am lukrativen Ölgeschäft ist kein Einzelfall. Manfred Horn, Öl-Experte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), macht einen "weltweiten Trend" zu mehr Staatsinterventionen aus: "Der Ölsektor wird mehr und mehr zur staatlichen Domäne."
Tatsächlich steigert zum Beispiel die russische Regierung über die staatliche Gasprom beständig ihren Einfluss auf das heimische Öl- und Gasgeschäft. Im Nahen Osten sowie in vielen mittel- und südamerikanischen Förderländern befindet sich die Erdölwirtschaft oft vollständig in Staatsbesitz.
Machtmissbrauch nicht ausgeschlossen
Nicht immer ist dabei die Gefahr, dass die Regierung ihre Macht missbraucht, so gering wie im Falle Norwegens. Gerade die Skandinavier durften in der Vergangenheit gleich mehrfach einen Blick auf die Kehrseite der protektionistischen Medaille erhaschen. So ordnete der venezolanische Präsident Hugo Chavez kurzerhand an, dass die staatliche Ölgesellschaft PVDSA bei jedem Ölfeld über eine Kontrollmehrheit verfügen solle, und machte so ausländischen Investoren einen Strich durch die Rechnung. Daraufhin entschieden sich Statoil, aber auch die amerikanische Exxon Mobil, ihre Anteile an der Ölförderung in Venezuela zumindest zum Teil zu verkaufen.
In Russland fielen Statoil und Norsk Hydro dann erneut einem allzu eifrigen Staat zum Opfer. Die Norweger hatten sich große Chancen ausgerechnet, in die Erschließung des Stockmann-Felds im russischen Teil der Barentssee einzusteigen. Das Feld gilt als eines der größten Gasvorkommen. Aber dann teilte Gasprom im Oktober mit, ausländische Unternehmen würden an dem Projekt nicht beteiligt werden.
Tankstellengeruch des Geldes
Doch warum stehen neuerdings so viele Regierungen auf Tankstellengeruch? "Der entscheidende Faktor sind die gestiegenen Ölpreise, die Begehrlichkeiten wecken", betont DIW-Mann Horn. Josef Auer, Öl-Experte der Deutschen Bank, ergänzt: "Da ist der Staat schnell bereit, sich zu engagieren und ausländischen Investoren das Leben schwer zu machen."
Eine Strategie, die sich noch als zu kurzfristig gedacht erweisen könnte: So dürften die verprellten Investoren kaum Interesse daran zeigen, in andere Energiebereiche einzusteigen, wo ausländisches Kapital dringend nötig wäre: "Es gibt kaum einen Unternehmer aus dem Westen, der in den russischen Strommarkt investieren möchte - aus Angst, der Staat könnte einschreiten", betont Auer, Senior Economist bei Deutsche Bank Research. Zudem seien viele Länder bei exotischeren Vorhaben wie etwa der Tiefseeexploration von Ölfeldern nach wie vor auf ausländisches Know-how angewiesen, sagt Öl-Experte Horn.
Erbarmen! Die Wikinger kommen
Das technische Know-how ist ein Pfund, mit dem insbesondere die Norweger wuchern können. Schließlich haben sie es geschafft, auch in unwirtlichen Gegenden ihre Ölquellen anzuzapfen. Im Offshore-Bereich sind sie führend. Nicht zuletzt deshalb hoffen sie, vielleicht doch noch an der Erschließung des Stockmann-Felds in der Barentssee mitwirken zu dürfen. Zumal ihre Verhandlungsmacht durch die Fusion von Statoil und Norsk Hydro weiter gestiegen ist.
"Die Norweger wurden im großen Energiemarkt bisher kaum wahrgenommen, aber dieser Zusammenschluss könnte sie in die Champions League katapultieren!", ist Deutsche-Bank-Volkswirt Auer überzeugt. Die Botschaft an die anderen Öl-Unternehmer sei klar: "Passt auf! Die Wikinger kommen!"