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Politik

"Wir werden nicht schweigen"

5. November 2016

Tausende Menschen haben in mehreren europäischen Städten gegen den türkischen Präsidenten Erdogan demonstriert. Der zeigt sich trotz aller Proteste unbeeindruckt und geht weiter gegen Kritiker vor.

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Türkei Istanbul Demonstration von Kurden von Polizei aufgelöst
Die Polizei geht in Istanbul gegen Demonstranten vorBild: picture-alliance/dpa/T. Bozoglu

Hunderte Menschen demonstrierten vor einer Moschee im Bezirk Sisli im europäischen Teil von Istanbul gegen die Festnahme kurdischer Politiker. Sie wollten als Zeichen der Solidarität zur Redaktion der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" ziehen.

Viele betitelten den Staat in Sprechchören als "faschistisch" und riefen "Wir werden nicht schweigen". Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, griff die Polizei aber rasch ein und trieb die Menge mit Wasserwerfern und Tränengas auseinander. Auch Gummigeschosse wurden eingesetzt.

Die Presse mundtot machen

Die türkischen Behörden haben unterdessen Haftbefehl gegen "Cumhuriyet"-Chefredakteur Murat Sabuncu und acht weitere führende Mitarbeiter erlassen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, Verbrechen für kurdische Extremisten und für den Kleriker Fetullah Gülens verübt zu haben, den Präsident Recep Tayyip Erdogan für den Drahtzieher des gescheiterten Militärputsches hält.

Türkei Istanbul Demonstration von Kurden von Polizei aufgelöst
Demonstranten in Istanbul fliehen vor Wolken aus TränengasBild: picture-alliance/dpa/T. Bozoglu

Kritiker sprechen dagegen von einem Versuch der Regierung, die Opposition auszuschalten. Seit dem Putschversuch im Juli sind mehr als 110.000 Richter, Lehrer, Polizisten und Beamte festgenommen oder suspendiert worden. Am Freitag hatte die Polizei die beiden Vorsitzenden der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksedag, und weitere HDP-Abgeordnete festgenommen.

 "Was haben Sie vor?" erklärte Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu an Erdogan gerichtet. "Wollen Sie eine Türkei erschaffen, in der alle im Gefängnis sitzen?" Zum Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen "Cumhuriyet" fragte er sarkastisch, was diese verbrochen hätten: "Haben die irgendwo Bomben gelegt?"

Das Vorgehen des NATO-Partners Türkei gegen die prokurdische Oppositionspartei HDP und "Cumhuriyet", die letzte große regierungskritische Zeitung im Land, hat auch international Empörung ausgelöst.

Proteste in vielen europäischen Städten

In Köln demonstrierten nach Angaben der Polizei 6500 Kurden gegen das Vorgehen der Behörden in der Türkei. Plakate trugen Aufschriften wie "Stoppt die Erdogan-Diktatur!" oder "Terrorist Erdogan". Viele Demonstranten schwenkten Fahnen mit dem Bild des inhaftierten Führers der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abullah Öcalan. Berichte über Zusammenstöße gab es nicht.

Deutschland Köln Demonstration der Kurden
Mehr als 6000 Menschen kamen in Köln zusammenBild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

In Griechenland marschierten in der Hauptstadt Athen rund 1000 Demonstranten in Richtung der türkischen Botschaft und beschimpften Erdogan als Faschisten. Die Polizei hinderte die Protestierenden aber daran, das Gebäude zu erreichen.

Auch in Paris zogen tausende Demonstranten durch die Innenstadt, um ein Zeichen gegen die jüngsten Festnahmen zu setzen. Unter "Stopp Erdogan" -Rufen zogen die Demonstranten vom Platz der Republik zum Place du Châtelet und forderten die Freilassung der Inhaftierten.

Paris Kurden Demonstration gegen Erdogan
Auch in Paris ist die Empörung über die türkische Regierung großBild: picture-alliance/AP Photo/Francois Mori

Scharfe Kritik aus Österreich

Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern rief die EU zu einer klaren Haltung gegenüber der immer autoritärer geführten Türkei auf. Kern bezeichnete die jüngsten Entwicklungen als besorgniserregend. "Das sind inakzeptable Anschläge auf Demokratie und Pressefreiheit", schrieb er auf Facebook.

In der Online-Ausgabe der "Kronen Zeitung" sprach er sich außerdem dafür aus, der Türkei "den Geldhahn zuzudrehen", sollte das Flüchtlingsabkommen platzen. Laut Kern sind gemäß der Vereinbarung von EU-Seite noch 2,5 Milliarden Euro an Ankara zu zahlen.

rk/haz (afp, dpa, ap, rtr)