Erdogans Agenda bei Trump
16. Mai 2017Präsident Erdogan hatte das Treffen im Vorfeld als "einen neuen Meilenstein" der US-türkischen Beziehungen bezeichnet. Erwartungsgemäß werden sich die bilateralen Gespräche um die Entwicklungen in Syrien, die von der Türkei geforderte Auslieferung des Predigers Fetullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch im Juli verantwortlich macht, und das Schicksal des iranisch-türkischen Geschäftsmanns Reza Zarrab drehen. Dieser steht derzeit in den USA vor Gericht.
Streitpunkt: US-Waffenlieferungen an kurdische Streitkräfte
Besonders kontrovers dürften die amerikanischen Waffenlieferungen an die kurdische Miliz YPG diskutiert werden - vor allem, wenn die US-Regierung in diesem Punkt nicht von ihrer Position abrückt. Die YPG gilt als eine der effektivsten Kampfgruppen der Demokratischen Kräfte Syriens, deren nächstes Ziel die Rückeroberung Rakkas ist, einer Hochburg der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).
Die türkische Regierung sieht in der YPG einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, mit der sie seit den 1980er Jahren in bewaffnetem Konflikt steht. Auch die USA stufen die PKK als Terrororganisation ein, nicht aber die YPG. Die türkischen Behörden befürchten, dass US-Waffen, die für die kurdischen Kämpfer bestimmt sind, in die Hände der PKK fallen könnten.
Gemeinsame Positionen im Syrienkonflikt
Seit August kämpfen türkische Truppen im Rahmen der "Operation Euphrat Schild" in Nordsyrien an der Seite lokaler Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen den IS, von dem sie zahlreiche Städte zurückerobern konnten. Bei der geplanten Einnahme Rakkas hat die Türkei der FSA Unterstützung zugesagt.
Weder Trump noch Erdogan stehen Syriens Machthaber Bassar al-Assad wohlwollend gegenüber. Allerdings scheint der türkische Präsident seine frühere Forderung nach dem Rücktritt Assads verworfen zu haben.
Seit sich das Verhältnis zwischen Ankara und Moskau wieder stabilisiert hat, das im Juli 2015 durch den Abschuss eines russischen Kampfjets in eine Krise geraten war, konzentrieren sich beide Länder auf die Beendigung des syrischen Bürgerkrieg. Seit Monaten leiten die Türkei, Russland und der Iran die diplomatischen Gespräche zwischen Vertretern des Assad-Regimes und der Rebellen in der kasachischen Hauptstadt Astana.
Die Türkei setzt sich für Flugverbotszonen in Nordsyrien ein, die Luftangriffe Assads auf Zivilisten und damit entsprechende Fluchtbewegungen eindämmen sollen. Die Anfang Mai in Astana beschlossenen vier Schutzzonen in Syrien, die Umsetzung des Friedensprozesses sowie die Rolle des Iran und Russlands dürften Thema beim Treffen in Washington sein.
Was wird aus Gülen?
Auch über den Umgang mit Fetullah Gülen wird Erdogan sicher sprechen wollen. Der 76-jährige islamische Prediger lebt seit 1999 im selbstgewählten US-Exil. Erdogan beschuldigt seinen früheren Verbündeten, eine Terrororganisation gegründet zu haben, die den türkischen Staat infiltrieren und im Rahmen des gescheiterten Putschversuchs die Regierung stürzen sollte. Gülen streitet die Vorwürfe ab.
Kurz vor dem Treffen im Weißen Haus wurden vor dem Hintergrund der Ermittlungen gegen die Gülen-Bewegung nach Angaben des Senders CNN Türk 85 Mitarbeiter aus dem türkischen Energie- und dem Bildungsministerium festgenommen. Insgesamt wurden seit dem Putschversuch in der Türkei 150.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, der Justiz, der Polizei und des Militärs entlassen oder vom Dienst suspendiert sowie rund 50.000 Menschen in Gewahrsam genommen.
… und aus Zarrab?
Reza Zarrab wurde vor etwa einem Jahr in den USA unter dem Verdacht der Geldwäsche und der Verletzung von US-Sanktionen gegen den Iran festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Der 33-jährige pflegt enge Beziehungen zu Ankara und ist in der Türkei eine bekannte Figur. Ende 2013 wurde er wegen mutmaßlicher Verwicklungen in einen bedeutenden Korruptionsskandal festgenommen und saß 70 Tage in Haft, bevor er später freigesprochen wurde.
Ende März schlossen sich der frühere New Yorker Bürgermeister und Trump-Vertraute Rudolph Giuliani und der ehemalige Justizminister Michael Mukasey dem Anwaltsteam Zarrabs in den USA an. Nach Gerichtsunterlagen, die im April an die Öffentlichkeit gelangten, hatten sich Giuliani und Mukasey Ende Februar mit Erdogan getroffen und versucht, auf diplomatischem Wege die Freilassung Zarrabs zu erwirken.
Der für den Fall zuständige Richter Richard Berman hat die Verteidigung aufgefordert, die Funktion von Giuliani und Mukasey in dem Verfahren offenzulegen. Vergangene Woche erklärte Berman in einer Anhörung, der Fall solle durch Rechtsmittel und nicht durch diplomatische Schritte gelöst werden.