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Politik

Läuft Erdogan jetzt wieder Amok?

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Felix Steiner
9. Mai 2017

Türkische Soldaten dürfen in Deutschland bleiben, weil ihnen im eigenen Land politische Verfolgung droht. Das dürfte die deutsch-türkischen Beziehungen noch weiter belasten, ist aber dennoch richtig, meint Felix Steiner.

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Brüssel Nato-Hauptquartier
Bild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Die NATO bezeichnet sich selbst ja immer gerne als "Wertegemeinschaft". Vor diesem Hintergrund wirkt es geradezu wie ein schlechter Witz, wenn ein Bündnismitglied Soldaten eines anderen Bündnismitglieds politisches Asyl gewähren muss.

Von wegen "Wertegemeinschaft"

Genau das passiert nun aber, wie das Bundesinnenministerium inzwischen bestätigt hat. Und damit ist die Selbstdarstellung von der Wertegemeinschaft als das entlarvt, was sie immer schon war: eine hohle Sonntagsrede. Die NATO ist ganz einfach ein Bündnis, dessen Mitglieder nach militär- und geostrategischer Nützlichkeit ausgewählt werden. Weshalb die NATO weder mit der Einparteienherrschaft Salazars in Portugal, noch mit dem Obristenregime in Griechenland oder den Militärputschen in der Türkei 1960, 1971 oder 1980 ein gravierendes Problem hatte. Und deswegen wird auch die Herrschaft Recep Tayyip Erdogans - ganz egal wie sie sich noch entwickeln mag - auf die NATO-Mitgliedschaft der Türkei keinerlei Einfluss haben. Denn das Land an der Südostflanke ist für das Bündnis unentbehrlich. Werte hin oder her.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Unbestreitbar ist aber auch: Die Gewährung von politischem Asyl für die ersten der bisher 414 Antragsteller ist vollkommen gerechtfertigt. Es handelt sich um Menschen, die für die Türkei Dienst getan haben in zumeist hohen Funktionen als Diplomaten, Richter oder Offiziere sowie deren Familienangehörige. Die von der türkischen Regierung - wie tausende Andere im ganzen Land - bereits ihrer Posten enthoben worden sind und kein Gehalt mehr bekommen, weil sie angeblich der Gülen-Bewegung nahestehen und damit als Unterstützer des Putschversuches vom Juli vergangenen Jahres gelten. Dafür wurden bisher weder insgesamt, noch im konkreten, auf die jeweilige Person bezogenen Einzelfall nachvollziehbare Beweise vorgelegt. Es handelt sich um Menschen, die bei ihrer Rückkehr in die Heimat mit sofortiger Verhaftung rechnen müssen. Musterbeispiele politischer Verfolgung also, für die das Grundrecht auf Asyl in der deutschen Verfassung ursprünglich einmal gedacht war.

Doch diese Asyl-Entscheide dürften absehbar noch Probleme bereiten. Nicht, weil Deutschland damit zahlenmäßig überfordert wäre. Nein, in Zeiten, in denen weiterhin knapp 20.000 Migranten pro Monat nach Deutschland kommen, ist eine Gruppe von 414 Menschen keine wirkliche Herausforderung. Selbst wenn alle rund 7000 Asylanträge, die seit dem gescheiterten Putsch von Türken in Deutschland gestellt wurden, auf einen Schlag genehmigt würden, gingen diese Menschen in der Zahl der anderen Zuwanderer unter.

Gift für die deutsch-türkischen Beziehungen

Wahrscheinlich ist vielmehr, dass die Anerkennung der türkischen Soldaten als politische Flüchtlinge die ohnehin schon stark belasteten deutsch-türkischen Beziehungen noch weiter belasten wird. Belgien, wo türkische Offiziere aus den NATO-Zentralen in Brüssel und Mons ebenfalls Asylanträge gestellt haben, zögert aus gutem Grund, diesen Schritt zu gehen. Das ist nachvollziehbar nach den Erfahrungen, die Deutschland und die Niederlande in den vergangenen Monaten mit Ankara gemacht haben.

Nun muss sich zeigen, ob all die Türkei-Experten recht hatten, die die verbalen Ausfälle und Drohungen der türkischen Regierung mit der beabsichtigten Mobilisierung der Auslandstürken für das Verfassungsreferendum erklärt haben. Das ist ja inzwischen gewonnen und könnte Erdogan wie auch seine Minister insofern gelassener machen. Aber falls jetzt neue Angriffe aus Ankara folgen, dann muss Deutschland das aushalten. Es gibt Situationen, in denen man seine Prinzipien achten und hochhalten muss. Sonst sind sie nämlich nichts wert. Die Bundeskanzlerin hat lange genug gute Miene zum bösen Spiel in der Türkei gemacht.

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