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Erdogans neue Imagebroschüre

6. März 2016

Der Präsident auf dem Titelblatt, ein Bericht über die schöne neue Bosporusbrücke - nachdem die türkische Oppositionszeitung "Zaman" unter staatliche Kontrolle gestellt wurde, ist sie voll des Lobes für die Regierung.

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Türkei Zeitung Zaman Cover vom 6.3.2016 (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/A. Altan

Normalerweise ist die Titelseite der größten türkischen Oppositionszeitung "Zaman" voll mit Kritik an der Regierung und an Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Nach der Übernahme des Blattes haben Treuhänder die "Zaman" nun auf Regierungslinie gebracht. Die aktuelle Sonntagsausgabe erschien mit Präsident Erdogan auf dem Titel und ist voller regierungsfreundlicher Artikel.

So widmet das Blatt der fast fertiggestellten dritten Bosporus-Brücke - ein Prestigeprojet Erdogans - einen Artikel. Ähnlich wie in regierungsnahen Zeitungen zeigt die neue Ausgabe Bilder der Beerdigungen von "Märtyrern", die bei Militäreinsätzen gegen kurdische Rebellen im Südosten des Landes getötet worden waren. Zudem berichtet die Zeitung, dass Erdogan am Internationalen Frauentag einen Empfang für Frauen geben wird - dazu ein Bild des Präsidenten, der Hände einer älteren Dame hält.

Internationale Entrüstung

Die mit einer Auflage von 650.000 Exemplaren auflagenstärkste Zeitung des Landes war am Freitag nach Angaben des regierungskritischen Anwalts Ayhan Erdogan auf Anordnung von Richtern mit Sondervollmachten unter Aufsicht einer staatlichen Treuhandverwaltung gestellt worden. Kurz nach der Anordnung der Intervention hatte die Polizei das Verlagsgebäude unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern gestürmt. Medienberichten zufolge feuerte die neue Führung des Blattes den bisherigen Chefredakteur Abdulhamit Bilici.

Der Schlag gegen die Zeitung kurz vor dem EU-Türkei-Gipfel am Montag sorgt international für Entrüstung. "Die Türkei ist dabei, eine historische Chance der Annäherung an die Europäische Union zu verspielen", warnte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im "Tagesspiegel". Kritik kam auch aus den USA.

Die SPD sieht nichtsdestotrotz keine Alternative zur einer Zusammenarbeit mit dem Land in der Flüchtlingspolitik. "Die Türkei leistet einen enormen Beitrag in der Flüchtlingskrise. Das verdient unseren Respekt", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir brauchen die Türkei als Partner." Dies bedeute aber nicht, über die Lage der Menschenrechte oder Eingriffe in die Pressefreiheit einfach hinwegzusehen. "Wir müssen hier weiter die Missstände im Dialog mit dem türkischen Ministerpräsidenten ansprechen", sagte Lambrecht.

"Keine politischen Vorgänge"

Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu verteidigte das Vorgehen gegen die "Zaman" als unabhängige Entscheidung der Justiz. Die Maßnahmen seien "sicher keine politischen, sondern rechtliche Vorgänge", sagte Davutoglu während eines Staatsbesuchs im Iran in einer vom türkischen Fernsehen ausgestrahlten Reaktion. Die Türkei sei ein Rechtsstaat, sagte Davutoglu. Es komme daher "nicht in Frage für mich oder irgendeinen meiner Kollegen, sich in diesen Prozess einzumischen".

"Zaman" steht der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen nahe, der im US-Exil lebt. Gülen war einst ein Verbündeter des islamisch-konservativen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, hat sich mit ihm aber überworfen. Gülens "Hizmet"-Bewegung ist in der Türkei inzwischen zur Terrororganisation erklärt worden.

cr/rb (dpa, afp)