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Interview zu den Atomgesprächen in Genf

Matthias von Hein1. April 2015

In Lausanne wird weiter verhandelt, obwohl die Frist zur Einigung ein drittes Mal verstrichen ist. Der Iran-Experte Ali Vaez erläutert im DW-Gespräch, warum der Einsatz so hoch ist - und was die Parteien trennt.

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Vor der hell erleuchteten Fassade des Beau Rivage Palace Hotels in Lausanne, wo die Stomgespräche mit dem Iran stattfinden steht ein Schachspiel, das gerade eröffnet wurde. (Foto: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/B. Smialowski

DW: Zwar wird weiter verhandelt. Doch nach 15 Monaten intensiver Verhandlungen kann es doch eigentlich nicht an Zeitmangel gelegen haben. An welchem Punkt stehen wir jetzt ?

Ali Vaez: All diese Fristen sind willkürliche, selbst gesetzte Fristen. Und manchmal brauchen Verhandlungen einfach mehr Zeit. Aber Fristen sind auch hilfreich: Sie zwingen die Unterhändler zu höherer Konzentration und größerer Flexibilität.

International Crisis Group Iranexperte Ali Vaez vor einer Weltkarte (Foto: International Crisis Group)
ICG Iranexperte Ali VaezBild: International Crisis Group

Die wirklich wichtige Frist für diese Verhandlungen läuft eigentlich Ende Juli aus. Der Grund, warum die Parteien bis Ende März zu einer politischen Einigung kommen wollten, liegt in erster Linie an dem enormen politischen Druck, den der US-Kongress auf diese Verhandlungen ausübt.

Der Kongress macht bis zum 14. April Pause. Danach wird er vermutlich entweder neue Sanktionen gegenüber dem Iran beschließen oder aber Bedingungen für die Verhandlungen, die für die Iraner vollkommen inakzeptabel sein werden. Das könnte das Aus für die Atomgespräche bedeuten. Diese Uhr tickt also schneller als jede andere Uhr in diesen Verhandlungen. Deshalb brauchen die Unterhändler ein vorzeigbares Ergebnis bei diesen Gesprächen in Lausanne.

Hier in Lausanne ist die Rede davon, dass es wahrscheinlich im Verlauf des heutigen Tages eine Erklärung geben wird. Es ist noch nicht klar, ob diese Erklärung weitere Fortschritte beinhaltet und das Fortsetzen des Verhandlungsprozesses.

Der Iran hat 200 Milliarden US-Dollar in sein Atomprogram investiert

Für beide Seiten gibt es bei einem Erfolg viel zu gewinnen und bei einem Scheitern sehr viel zu verlieren. Was hält die Verhandlungspartner also zurück?

Sowohl die USA als auch der Iran haben sehr viel in diesen diplomatischen Prozess investiert. Beide haben aber auch sehr viel in ihre Druckmittel investiert.

Nehmen wir die Iraner: Sie haben sich ihr Atomprogramm wahrscheinlich mehr als 200 Milliarden US-Dollar kosten lassen - wenn man die Belastungen durch die Sanktionen mit einbezieht. Jedes einzelne Gramm von ihrem angereicherten Uran haben sie also sehr teuer bezahlt.

Auf der anderen Seite haben die USA enormes politisches Kapital aufgewandt, um das Sanktionsregime gegen den Iran aufzubauen. Wahrscheinlich ist es das umfangreichste Sanktionsregime der Welt! Beide sind deshalb zurückhaltend, ihre Druckmittel leichtfertig aus der Hand zu geben. Nicht nur, weil sie viel Aufwand betrieben haben, sondern weil sie einander zutiefst misstrauen. Sie sind sich nicht sicher, ob die andere Seite zu ihren Versprechungen stehen wird.

Zum Beispiel haben kürzlich 47 US-Senatoren einen Brief an den obersten Führer im Iran geschrieben. Darin haben sie gesagt, der nächste Präsident der USA würde sich nicht an die Zusagen halten, die der jetzige Präsident Obama in einem Abkommen geben würde. Für die Iraner bedeutet das, sie bestehen auf jeden Fall darauf, als Druckmittel ein Minimum an nuklearer Kapazität zu behalten, um eben sicherzustellen, dass der nächste US-Präsident sich an das Abkommen hält.

Die Delegationen bei den Atomverhandlung in Lausanne sitzen sich an einem Konferenztisch gegenüber. (Foto: FABRICE COFFRINI/AFP/Getty Images)
Vier Nächte ohne Schlaf und doch weiter machen: Unterhändler in LausanneBild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

Das gleiche gilt für die US-Seite. Was, wenn der Iran sich nicht an seine Zusagen hält? Man will deshalb die Sanktionsmechanismen als Druckmittel behalten. Diese Problematik, dieses Misstrauen ist es, was die Parteien davon abhält, Flexibilität zu zeigen und Risiken einzugehen.

Kreislauf von Eskalationen droht

Haben die Parteien denn eine andere Wahl, als einander mit einem Minimum an Vertrauen zu begegnen?

Beide Seiten wissen sehr genau: Wenn diese Verhandlungen scheitern, wird ein neuer Kreislauf von Eskalationen in Gang gesetzt. Auf der einen Seite werden die Iraner ihr Atomprogramm ausbauen. Auf der anderen Seite wird der Westen die Sanktionen verschärfen. Und wir könnten nach und nach auf eine mögliche militärische Konfrontation zusteuern - mit katastrophalen Folgen.

Deshalb hat auch noch niemand den Verhandlungstisch verlassen, trotz aller Schwierigkeiten und obwohl es ein extrem anstrengender Prozess ist. Jede Seite hat geduldig durchgehalten.

Aber selbst wenn wir jetzt ein Übereinkommen über die allgemeinen Fragen haben: Dieser Erfolg wäre noch nicht endgültig. Denn dann müssen sich die Unterhändler hinsetzen und die technischen Details klären. Und gerade bei diesen Verhandlungen steckt der Teufel im Detail.

Erfolg ist keineswegs garantiert. Aber Tatsache ist: Wenn ein Abkommen zu Stande kommt, wird das ein Triumph der Diplomatie sein und ein Musterbeispiel dafür, wie geduldige, beständige und hartnäckige Diplomatie sehr schwierige Probleme und komplexe Puzzle lösen kann, ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert wird.

Deshalb sind die Einsätze so hoch. Erfolg wäre ein echter Triumph, Scheitern ein echtes Desaster.

Das Gespräch führte Matthias von Hein.

Ali Vaez ist Iran-Experte bei der International Crisis Group und beobachtet die Atomgespräche vor Ort im schweizerischen Lausanne