Blairs Abschied
27. Juni 2007War er wirklich nur zehn Jahre im Amt? Sein Abgang markiert das Ende einer Ära. Tony Blair hatte uns fast vergessen lassen, dass Großbritannien vorher fast zwei Jahrzehnte lang eine konservative Festung gewesen ist. Die Eiserne Lady, der blasse John Major waren schnell Geschichte, nachdem der jungdynamische New Labour-Führer 1997 die Mitte eroberte und den “dritten Weg” zwischen althergebrachten konservativen und linken Ideen einschlug.
Mit einem neuen Image holte er Labour, die Partei der Arbeiter und Gewerkschaften, aus der linken Ecke heraus und machte sie für die Mittelklasse wählbar. So wurde Blair der jüngste Premier seit 1812. Die Kinder in 10 Downing Street, Popstars als politische Alliierte - die Ära des “Cool Britannia” war angebrochen.
Modern, nicht rosig
Zehn Jahre unter Tony Blair haben Großbritannien modernisiert. Die Wirtschaft boomt seit langem. Die Arbeitslosigkeit ist gesunken. Der Nordirlandkonflikt, der über Jahrzehnte getobt hatte, ist beigelegt. Nordirland, Schottland und Wales haben eigene parlamentarische Versammlungen. In das von Margaret Thatcher heruntergewirtschaftete Gesundheitssystem und die britischen Schulen wurden Milliarden investiert.
Doch nicht alles ist rosig in New Labour-Land. Es gibt immer noch lange Wartelisten im Gesundheitssystem. Nicht jede Privatisierung kann als gelungen angesehen werden. Und trotz – oder gerade wegen Blairs Wirtschafsreformen – ist die Kluft zwischen arm und
reich in Großbritannien nicht kleiner geworden.
Der richtige Dreh
Aber der Grund, warum Blair und seine Partei neulich bei den Wahlen zu den Nationalversammlungen in Schottland und Wales sowie auf kommunaler Ebene abgestraft wurden, ist ein anderer. Blairs Regierung basierte auf einer wirksamen PR-Maschinerie, auf der Kunst des “Spin” – jedem Ereignis den richtigen Dreh zu geben. Das Misstrauen in der Bevölkerung wurde immer größer – bis zum Debakel der nie gefundenen Massenvernichtungswaffen im Irak. Blair führte das Land gegen massive Opposition in einen Krieg – und die Hauptmotivation entpuppte sich als falsch. Für seine Unterstützung des zunehmend in die Isolation geratenen amerikanischen Präsidenten George Bush erntete er Spott und den Spitznamen “Pudel” oder “Schoßhund”. Davon hat sich Tony Blair nie wieder erholt.
Dazu kommen Vorwürfe des Nepotismus (Nepotismus meint die Besetzung von Posten mit Familienmitgliedern oder eine übermäßige Vorteilsbeschaffung d.R.) – Blairs einstiger Berater und “Spindoctor” Peter Mandelson wurde Kommissar in Brüssel – sowie Korruptionsvorwürfe um Parteispenden, die zu Orden und Sitzen im Oberhaus geführt haben sollen. Das saubere Image des einstigen Lieblings der Briten ist längst angeschmutzt.
Versprechen nicht gehalten
Das Gerangel im Rahmen des letzten EU-Gipfels – Blairs letzter internationaler Auftritt als Premierminister – hat gezeigt, dass Blair sein Versprechen nicht halten konnte, Großbritannien stärker in Europa einzubinden. Während er selbst als überzeugter Europäer gern und erfolgreich auf der EU-Bühne agierte, ist der Trend zu Euroskepsis in den britischen Medien und in der Bevölkerung in den letzten Jahren stärker geworden. Nur um die 40 Prozent der Briten unterstützt noch nach einer neuen Umfrage die Mitgliedschaft in der EU. Blair war in den letzten Tagen nur Statthalter seines mächtig gewordenen Nachfolgers, der hinter den Kulissen – und teilweise auch ganz offen–bereits die Strippen zog.
Jetzt verlässt Blair die politische Bühne – zumindest in seiner Rolle als britischer Premier – nach einem langen – viel zu langen – Abschied. Es war höchste Zeit, zu gehen. Und die britische Wählerschaft scheint ihm jetzt schon seinen Abgang zu danken. Zum ersten Mal seit Monaten steht die Labourpartei in den Umfragen wieder vorn. Und der als uncharismatisch abgestempelte Blair-Nachfolger Gordon Brown rangiert in der Beliebheitsskala weit vor einem konservativen Rivalen, dem jungdynamischen David Cameron, der dem jungen Blair ähnelt. Die Blair-Ära ist vorbei. “Cool Britannia” ist bereit für einen Wechsel. Vorerst nur zu einem neuen Labour- Führer. Ob Blairs Partei auch nach den nächsten Wahlen an der Macht sein wird, bleibt abzuwarten.
Blairs Rolle in der Geschichte ist gesichert. Ob der Schaden, den der Irakkrieg seinem Image zugefügt hat, durch seine unbestreitbaren Erfolge relativiert wird, kann nur die Zukunft zeigen.