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Eritrea: "Deutsch sein hat viele Gesichter"

Katrin Ogunsade15. September 2004

Ihr Name erzählt eine Geschichte. "Eritrea" lautet der Vorname der Frau, der sie ihre Herkunft nie vergessen lässt. Nie vergessen wird sie auch die Zeit vor 25 Jahren, als sie mit ihrer Familie aus ihrer Heimat floh.

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Die Gesichter DeutschlandsBild: Bilderbox

"Eritrea" - das ist das Land im Nordosten Afrikas, in dem sie geboren wurde. "Eritrea" - so heißt in der Landessprache Tigrinja das Rote Meer, an dessen Küste sie ihre frühen Kindheitsjahre verbrachte. "Geflohen sind wir damals, weil meine Eltern politisch Verfolgte waren, wir aus Eritrea kamen und zu diesem Zeitpunkt bereits Krieg mit Äthiopien hatten", erzählt die junge Frau.

Eritrea war damals erst fünf Jahre alt. Aber Bruchstücke der Flucht sind der heute 30-Jährigen noch deutlich in Erinnerung. Die Eltern kämpften damals an der Befreiungsfront gegen die Zugehörigkeit Eritreas zum Nachbarstaat Äthiopien. Die Flucht führte die Familie dann zunächst in den Sudan und schließlich nach Deutschland.

Ein Gefühl der Fremdheit blieb

An die Ankunft in Hannover im Dezember 1979 kann sich Eritrea noch gut erinnern - an die ungewohnte Kälte und die fremde Umgebung. Trotzdem wurde sie schnell "warm" mit dem neuen Umfeld. Sie und ihre zwei Geschwister lernten die Sprache und fanden bald neue Freunde. Das Gefühl der Fremdheit ließ sich aber nie so ganz abschütteln: "Ich hab' ein Zuhause in Deutschland und ich fühle mich auch bis zu einem gewissen Grad wohl." Ihre Heimat ist Deutschland trotzdem nicht. Eritrea kann sich zwar vorstellen, dass ein Teil von ihr etwas von "dem Ganzen hier" angenommen hat, aber sie würde sich nicht unbedingt für eine Deutsche halten.

Schlange in der Prüfstelle
Behördengänge sind für Eritrea mit deutschem Pass leichter

Doch genau das ist sie - sie besitzt schließlich den deutschen Pass. Den hat sie vor einigen Jahren beantragt, nicht zuletzt ihrer beiden kleinen Töchter zuliebe, die sie allein erzieht. Behördengänge oder die Suche nach einem Job sind seitdem weniger kompliziert. Demnächst möchte sie in einer Werbeagentur arbeiten. Aber hat der Pass sie wirklich zu einer Deutschen gemacht? Eindeutig antworten kann sie auf diese Frage nicht, aber eines steht für sie fest: Deutsch sein hat viele Gesichter. Auch wenn einige Menschen das immer noch nicht erkannt haben. "In diesem Land ist man oft gezwungen, die Sache erst mal über die Hautfarbe zu definieren", erläutert sie. Aufgrund derer merken die Deutschen sofort, dass sie trotz deutschem Pass keine Deutsche ist.

Irgendwann wird sie zurückkehren

Es gibt Momente, in denen sie sich danach sehnt, nach Eritrea zurück zu kehren - ihren Kindern das Land zu zeigen. Auch wenn man dort vielleicht merken wird, dass sie sich anders verhält und vielleicht auch Tigrinja nicht mehr richtig spricht, es wäre bestimmt ein Nachhausekommen, glaubt Eritrea.

Seit Eritrea 1993 unabhängig wurde, sind mehr als zehn Jahre vergangen. Im Land gewesen ist Eritrea Berhane bislang nicht. Aber den Kontakt zu Angehörigen und Freunden dort hat ihre Familie stets aufrechterhalten. Gemeinsam mit anderen in Deutschland lebenden Eritreern wahrten sie Sprache und Kultur, kämpften im Exil für die Befreiung ihres Landes. Aber es war nicht nur die eritreische Gemeinschaft, die es der Familie erleichterte, sich in Deutschland zurecht zu finden. Dabei geholfen hat eine deutsche Nachbarin, die sich für Eritrea und ihre Geschwister als "Oma" zur Verfügung stellte, und der multikulturelle Freundeskreis.

"Heimat ist etwas, das man sich schaffen muss"

Eigentlich, meint Eritrea Berhane, habe sie trotz gelegentlicher Zweifel in Deutschland doch auch ein Stück Heimat gefunden. "Heimat ist eben etwas, das man sich selbst schaffen muss", sagt Eritrea Berhane nicht ohne Stolz. Ihre eritreische Identität und die deutsche Nationalität schließen einander nicht aus, das hat sie mittlerweile für sich herausgefunden. Im Gegenteil: Deutsch sein hat eben viele Gesichter. Und eines davon gehört Eritrea Berhane.