Nach dem Urteil
28. September 2013In Sierra Leones Hauptstadt Freetown hatten sich Bürger im Gebäude des Sondertribunals versammelt, um die Übertragung der Urteilsverkündung zu verfolgen. Das Verfahren gegen den Ex-Präsidenten des Nachbarlandes Liberia, Charles Taylor, war aus Sicherheitsgründen in die Niederlande verlegt worden. Nach dem ersten Urteil vor einem Jahr waren sowohl die Anwälte Taylors als auch die Ankläger in die Berufung gegangen. Hierzu fällte das Sondertribunal zu Sierra Leone am Donnerstagmorgen (26.09.2013) seine abschließende Entscheidung und bestätigte: 50 Jahre Haft für Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Den Wunsch der Anklage, das Strafmaß zu erhöhen, wiesen die Richter zurück.
Jusu Jarka, einer von Tausenden, denen die von Taylor unterstützten Rebellen im Bürgerkrieg 1991 bis 2002 die Hände abgehackt hatten, ist nicht zufrieden. 50 Jahre seien zu wenig, meint er. Der Student Sahr Ansumana gibt die Meinung vieler anderer wieder und bewertet das Urteil positiv: "Es wird ein Signal an andere Kriegsfürsten sein. Wir sind zufrieden."
Kritik in Liberia
In Taylors Heimatland Liberia finden sich dagegen viele Menschen, die das Urteil ablehnen. Alexander Pierre zum Beispiel fordert eine Wiederaufnahme: "Heutzutage kommt man nach Afrika, nimmt sich irgendeinen Führer und sperrt ihn im Namen von Frieden und Gerechtigkeit ein, ohne dass die Menschen wirklich durchschauen, wie dabei Recht gesprochen wird." George Anniyanton ergänzt: "Ich bin zwar kein Anhänger von Herrn Taylor, aber auch viele andere haben grausame Verbrechen begangen. Die Justiz darf nicht selektiv sein."
Afrikanische Experten für internationales Strafrecht sind eher zufrieden mit der Entscheidung. Die Nigerianerin Uyo Salifu arbeitet beim Institut für Sicherheitsstudien (ISS) im südafrikanischen Pretoria: "Jede Abschwächung des Urteils wäre als ein Versagen der Justiz interpretiert worden." Gerade wegen der hochrangigen Position Taylors als früherer Staatschef hätte ein Zurückweichen als Ergebnis politischer Einflussnahme angesehen werden können, ist Salifu überzeugt.
Abschreckend für andere politische Führer
Chukwuemeka Eze vom Westafrikanischen Netzwerk für Friedensarbeit (West African Network for Peace Building, WANEP) in der ghanaischen Hauptstadt Accra glaubt, dass das Urteil abschreckend auf andere afrikanische Führer wirken könne, "denn sie sehen, dass die Tatsache, dass jemand ein amtierender Präsident ist, am Ende doch keine Bedeutung hat."
Allerdings fürchtet Eze, dass genau diese Furcht weitere Regierungen des Kontinents darin bestärken könne, sich dem Beispiel Kenias anzuschließen und sich aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zurückzuziehen. Das Parlament des ostafrikanischen Landes hatte erst Anfang September beschlossen, aus dem Statut des IStGH auszusteigen. "Ich teile zwar die Wahrnehmung, dass der Gerichtshof sich nur um Afrikaner kümmert", meint Eze. "Das ändert aber nichts daran, dass die Afrikaner, die er ins Visier nimmt, die Verbrechen, für die sie verfolgt werden, auch tatsächlich begangen haben."
Uyo Salifu vom ISS wertet das Urteil gerade vor dem Hintergrund des kenianischen Ausstiegs aus dem Strafgerichtshof positiv: "In diesem Rahmen ist es wirklich eine Erleichterung, denn wir sehen hier, dass etwas getan wird, trotz all der Enttäuschungen, die wir auf unserem Kontinent erleben."
Ob eher der Skeptiker Eze oder die Optimistin Salifu Recht haben, wird sich möglicherweise schon bald zeigen: Am 13. Oktober wollen sich Afrikas Staatschefs zu einem Sondergipfel in Addis Abeba treffen, um über ihre Haltung zum Internationalen Strafgerichtshof zu diskutieren.