Ermittler sind Pflege-Mafia auf der Spur
30. Mai 2017Die verdächtigen Pflegedienste sollen ein bundesweites System für Abrechnungsbetrug aufgebaut haben. Ermittelt wird gegen fast 300 Verdächtige. Es handele sich um eine organisierte Form des Betrugs, sagte ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Viele der Beschuldigten sollen auch in andere kriminelle Machenschaften verwickelt sein, darunter Geldwäsche, Schutzgeldzahlungen und Glücksspiel.
Mindestens eine Milliarde Euro Schaden pro Jahr
Systematisch sollen diese Pflegedienstanbieter nicht erbrachte Leistungen abgerechnet und dabei gemeinsame Sache mit Patienten und Ärzten gemacht haben. Der Verdacht ist seit längerem bekannt, ermittelt wird bereits seit 2014. Nach einer älteren Einschätzung des BKA könnte den Sozialkassen mit betrügerischen Abrechnungen solcher Pflegedienste mindestens eine Milliarde Euro Schaden pro Jahr entstanden sein.
Wie Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt NRW bestätigten, liegt nun der Abschlussbericht einer Sonderermittlungsgruppe vor. Demzufolge sollen zwei Drittel der betrügerischen Pflegedienste in bundesweiten Netzwerken agiert haben. Regionale Schwerpunkte sind NRW und Berlin, außerdem Niedersachsen, Brandenburg und Bayern. Gesteuert worden sein sollen die Netze überwiegend von Berlin aus.
Verdächtige aus Russland und der Ukraine
Die Verdächtigen sollen häufig aus Russland oder der Ukraine stammen. "Unsere Beschuldigten sind russischsprachige Deutsche", sagte dazu der Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Die Anklageschrift gegen neun Hauptverdächtige, von denen vier in Untersuchungshaft sitzen, sei jedoch noch nicht fertig.
"Genau aufgrund dieser Fälle haben wir die gesetzlichen Regelungen im letzten Jahr deutlich verschärft, durch regelmäßige und unangemeldete Kontrollen aller Pflegedienste und schärferen Vorschriften für die Zulassung von Pflegediensten", sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Nun müssten diese Regelungen konsequent umgesetzt werden.
Patientenschützer kritisieren Bund und Länder
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Bund und Ländern dagegen vor, es "der organisierten Kriminalität in der Pflege zu leicht" zu machen. Es fehle an Schwerpunktstaatsanwaltschaften und speziellen Ermittlungsgruppen, kritisierte der Stiftungsvorsitzende Eugen Brysch. Zudem forderte er, Pflegeleistungen elektronisch abzurechnen und eine einheitliche lebenslange Patientennummer einzuführen.
Im vergangenen September waren Polizisten in der Sache zu einer bundesweiten Razzia ausgerückt. 108 Objekte wurden durchsucht, rund 500 Polizisten, Staatsanwälte und Steuerfahnder waren im Einsatz. Über Scheinfirmen seien viele Millionen Euro aus Pflegediensten herausgezogen worden, hieß es damals.
ww/mak (epd/dpa)