"Erst mal das Verhältnis reparieren"
17. März 2015Schon nach der Rede Benjamin Netanjahus Anfang des Monats vor dem US-Kongress sahen Beobachter das Verhältnis zwischen Präsident Barack Obama und dem israelischen Premierminister auf einem Allzeittief. Doch seit Netanjahu im Schlussspurt des israelischen Wahlkampfs eine Kehrtwende in seiner Palästinapolitik hinlegte und einen eigenständigen Staat für die Palästinenser ausschloss, ist das Verhältnis noch schwieriger geworden. "Es ist das zweite Mal innerhalb eines Monats, dass Netanjahu Washington direkt konfrontativ angeht", hält die "Washington Post" fest.
Das Weiße Haus glättet die Wogen
Erst habe er in seiner Rede vor dem Kongress das von Präsident Obama angestrebte Nuklearabkommen mit dem Iran bekämpft. Und jetzt komme seine Abkehr von der Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser hinzu, für die US-Außenminister John Kerry neun Monate hart gearbeitet habe. In einer Stellungnahme zum Wahlausgang beeilte sich Präsident Obamas Sprecher Josh Ernest zwar, die Wogen zu glätten. Die engen Beziehungen zwischen Israel und den USA würden fortbestehen, egal wer die Wahl gewinne, versicherte er.
Dennoch: Laut CNN ist es die erste Aufgabe des neuen israelischen Premierministers, "das Verhältnis zu den USA zu reparieren". Wenn Netanjahu tatsächlich Premierminister bleibe, werde es sicherlich hart, die Beziehung zur Obama-Regierung zu verbessern, sagt Michael Koplow von der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution der Deutschen Welle. "Netanjahu hat alle Brücken zum Weißen Haus abgebrochen. Das Weiße Haus ist offensichtlich nicht sein Fan und er ist kein Fan des Weißen Hauses. Und es würde mich überraschen, wenn Netanjahu und der Präsident in der restlichen Amtszeit Obamas persönlich zusammenkämen."
Einfacher mit Herzog
Der republikanische Kongressabgeordnete Mike Rogers sagte dem Fernsehsender CNN, er halte das Verhältnis der beiden Männer nicht für irreparabel belastet. Außerdem seien die Beziehungen beider Länder zu wichtig, fügte er hinzu. Auch Michael Koplow sieht das Verhältnis zwischen Israel und den USA durch die jüngsten Auseinandersetzungen "nicht drastisch beschädigt". Es sei immer noch sehr robust - beispielsweise in der militärischen und geheimdienstlichen Kooperation.
Sollte Netanjahus Herausforderer Izchak Herzog nach den Koalitionsverhandlungen doch noch neuer Premierminister werden, wäre es nach Einschätzung von CNN Online allerdings leichter, die angespannten Beziehungen zu verbessern. "Herzog ist keiner, der danach trachtet, die Differenzen mit dem Weißen Haus zu vergrößern", sagt auch Koplow. Er habe öffentlich angekündigt, Meinungsverschiedenheiten mit dem Weißen Haus hinter verschlossenen Türen zu halten.
Das Weiße Haus sagte zwar nicht öffentlich, dass es auf Herzogs Sieg setzte. Beim Friedensprozess und in der Siedlungspolitik sei Herzog aber näher am Weißen Haus als Netanjahu, so der Israel-Experte der Brookings Institution. "Als Premierminister würde Herzog gemeinsam mit dem Weißen Haus einen neuen Versuch starten, mit den Palästinensern über einen eigenen Staat zu verhandeln."
Abkehr von der Zwei-Staaten-Lösung?
Netanjahu hatte das einen Tag vor Ende des Wahlkampfs überraschend ausgeschlossen. Noch rätseln amerikanische Medien wie die "New York Times" und die "Washington Post", ob dies ein geplantes Manöver war oder ob Netanjahu die Aussage eher spontan und unvorbereitet aus dem Handgelenk geschüttelt hat. Der republikanische Kongressabgeordnete Rogers geht davon aus, dass Netanjahu angesichts seines Rückstands in den Umfragen unter Druck gestanden hat.
Für ihn ist damit nicht das letzte Wort in der Zwei-Staaten-Frage gesprochen. Jen Psaki, Sprecherin von USA-Aussenminister Kerry, hatte bereits vorher bekräftigt, dass die Zwei-Staaten-Lösung für die USA der "einzige Weg zu Frieden und Stabilität in der Region" bleibe.
Das Weiße Haus würde es gerne sehen, dass der nächste israelische Premierminister den Friedensprozess mit neuem Schwung vorantreibt", sagt denn auch Michael Koplow. Außerdem würde Washington es begrüßen, wenn mit Hilfe des Regierungschefs der Weg für ein Nuklearabkommen mit dem Iran bereitet würde. Bleibt Netanjahu Premierminister, wäre das ein utopischer Wunsch.
Doch aus Koplows Sicht würde auch Herzog in dieser Frage nicht viel anders agieren: "Beim Thema Iran haben Netanjahu und Herzog identische Positionen. Herzog hat noch vor kurzem deutlich gemacht, dass zwischen ihn und Netanjahu in dieser Frage kein Blatt Papier passt." Doch wäre bei Herzog zumindest die Wahrscheinlichkeit höher, dass der "größte Albtraum für das Weiße Haus" nicht wahr werde: wenn nämlich ein ausgehandeltes Abkommen von den Israelis torpediert würde, "entweder durch intensives Lobbying des Kongresses oder durch einen israelischen Militärschlag auf iranische Atomanlagen".