Eiserne Lady
18. Februar 2012Sie ist hartnäckig, pragmatisch und kommt direkt zum Punkt - eine Technokratin, die Resultate erwartet. Diplomatie und Sympathie gehören nicht zu ihrem Profil. Maria das Graças Silva Foster, oder Graça Foster, wie sie genannt wird, verdankt es ihrer fachlichen Kompetenz, dass sie es nach ganz oben geschafft hat. Einiges erinnert an die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff. Nicht von ungefähr hat die Zeitschrift Veja ihr bereits den Namen "Dilma von Petrobras" gegeben.
Die beiden eisernen Ladies aus Brasilien kennen sich nicht nur gut, sie verstehen sich auch bestens. Foster ist eine enge Vertraute von Rousseff und hat ihre Freundin bei ihrem Wahlkampf unterstützt. Die brasilianische Presse hatte damals spekuliert, Foster würde gleich nach Rousseffs Amtsantritt die Spitze des Mineralöl-Unternehmens Petrobras übernehmen. Aber Dilma Rousseff soll einen Rat von ihrem Amtsvorgänger Luiz Inácio Lula da Silva angenommen und die Entscheidung um ein Jahr verschoben haben.
Kennengelernt haben sich Foster und Rousseff zwischen 1999 und 2002, als Rousseff Energiesekretärin des Bundesstaats Rio Grande do Sul war. Damals ging es um den Bau einer Gaspipeline zwischen Brasilien und Bolivien. Rousseff wollte eine Verbindung bis zu ihrem Bundesstaat im Süden durchsetzen. Doch der Tageszeitung Folha de São Paulo zufolge musste die heutige Präsidentin ein "Nein" von der damaligen Petrobras-Direktorin hinnehmen. Freundinnen sind sie trotzdem geworden und 2003 holte Rousseff, inzwischen Energieministerin, Foster als Expertin für Öl und Gas in ihr Ministerium. 2005 kehrte Foster dann zu Petrobras zurück.
Biografie einer Technokratin
Ihre Kindheit verbrachte Graça Foster in einem Armenviertel von Rio de Janeiro. Trotz der ärmlichen Verhältnisse, in denen sie aufwuchs, schaffte sie es an eine öffentliche Universität - in Brasilien alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Sie machte einen Masterabschluss als Ingenieurin für Kerntechnik, anschließend einen MBA in Ökonomie.
Ihre Laufbahn bei Petrobras begann vor 32 Jahren. Als Praktikantin trat sie in den staatlichen Energiekonzern ein, durchlief verschiedene Bereiche des Unternehmens und machte schließlich Karriere - auch dank ihrer Freundschaft zu der damaligen Ministerin Dilma Rousseff. Foster, heute 58 Jahre alt und mit einem Briten verheiratet, ist sie die erste Frau überhaupt, die bei Petrobras einen hochrangigen Posten erreicht hat. 2010 tauchte sie in der britischen Financial Times unter den "Top 50 Women" auf, den 50 erfolgreichsten Geschäftsfrauen der Welt.
Nun wird sie mit Petrobras das größte Unternehmen Brasiliens und einen der größten Ölkonzerne der Welt leiten - mit einem Jahresumsatz von rund 150 Milliarden US-Dollar und einem Investitionsbudget von 224,7 Milliarden Dollar für die Jahre 2011 bis 2015. Offiziell tritt Foster ihr Amt bei der Sitzung des Aufsichtsrats am 9. Februar an. Aber ihre Ernennung zur Nachfolgerin von José Sérgio Gabrielli, der das Staatsunternehmen seit 2005 lenkt, gilt als reine Formalität. Schließlich war es der Präsident des Gremiums, Finanzminister Guido Mantega, der Graça Foster vorgeschlagen hat.
Die Welt der Männer
Foster taucht dann in eine von Männern beherrschte Welt ein: PetroChina und Sinopec, die beiden Branchenführer aus China, haben keine Spitzen-Managerinnen. Bei Chevron (USA), Total (Frankreich) und Gazprom (Russland) sitzen zwar Frauen in den Führungsgremien, den Vorsitz hat aber immer ein Mann.
In Brasilien haben sich indes, seit Dilma Rousseff das Kommando übernommen hat, die Aufstiegschancen für Frauen verbessert. Mit der Staatschefin haben auch andere Frauen Machtpositionen in der Regierung übernommen: Neun der 38 Ministerien werden von Frauen geführt. Unter Lula waren es vier, einschließlich der Kabinettschefin und heutigen Präsidentin. Nach und nach haben sich Frauen politischen Einfluss erkämpft: Zwischen 1999 und 2000 gab es nicht eine einzige Frau im brasilianischen Ministerkabinett. In Lulas erster Legislaturperiode von 2003 bis 2006 waren es 10,7 Prozent, von 2007 bis 2010 waren es bereits 14,8 Prozent. Im Bundessenat, der brasilianischen Ländervertretung, und im Abgeordnetenhaus ist die gleiche Entwicklung zu beobachten.
Als Präsidentin weitete Dilma das "Programm für Gleichberechtigung der Geschlechter und Ethnien" aus, das 2005 in Zusammenarbeit mit der UN-Women, dem UN-Ressort zur Unterstützung von Frauen, initiiert wurde. Ziel ist, die Aufstiegschancen in Macht- und Entscheidungsposition gerechter zu gestalten. Staatliche und öffentliche Unternehmen, die sich dem Programm verpflichten und dessen Ziele unterstützen, erhalten nach Prüfung ein entsprechendes Siegel. Doch noch nehmen nicht alle ihr Versprechen ernst genug. Bisher haben sich 122 Unternehmen beworben, das Siegel erhielten allerdings nur 92. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass Karrieren wie die von Dilma Rousseff und Graça Foster für Frauen in Brasilien die absolute Ausnahme sind - noch.
Autoren: Nádia Pontes / Alexandre Schossler
Redaktion: Marco Müller