1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erstes reguläres Regierungsende in Pakistan

Altaf Khan16. März 2013

Erstmals hat eine zivile pakistanische Regierung ihre Amtszeit regulär beendet. Ein Sieg für die Demokratie, den sich die Pakistanische Volkspartei auf die Fahnen schreibt. Beobachter ziehen eine gemischte Bilanz.

https://p.dw.com/p/17xmt
Pakistanerin wählt 2008 in Rawalpindi (Foto: dpa)
Pakistan Frau WahlenBild: picture-alliance/dpa

Seit der Staatsgründung Pakistans 1947 war die Demokratie dort stets eine schwache und bedrohte Institution gewesen. Die meiste Zeit haben Militärs über das Land geherrscht, vier Militärregierungen waren es bis heute. Umso bemerkenswerter, dass die aktuelle Zivilregierung der Pakistanischen Volkspartei (PPP) zum ersten Mal eine reguläre Amtszeit beenden kann, die Legislaturperiode endet am 16. März. Nach der Verfassung muss eine neutrale Übergangsregierung nun innerhalb von 60 Tagen Wahlen vorbereiten.

2008 legte Yousuf Raza Gilani seinen Amtseid als 17. Ministerpräsident Pakistans ab. Er ist der erste Ministerpräsident Pakistans, in dessen Amtszeit fünf Haushaltsentwürfe vom Parlament verabschiedet wurden.

Amtsantritt unter schweren Bedingungen

Gilani trat sein Amt in einer schwierigen Phase der pakistanischen Politik an. Steigende Lebenshaltungskosten, Stromausfälle und die stetige Verschlechterung der öffentlichen Sicherheit machten Bevölkerung und Wirtschaft das Leben schwer - eine Situation, die sich bis heute nicht verbessert hat. Die Volkspartei war seit der Ermordung von Benazir Bhutto Ende 2007 führungslos. In der Provinz Belutschistan erstarkten separatistische Strömungen, nachdem das Militär den Führer der Belutschen, Nawab Akbar Bugti, getötet hatte.

Ministerpräsident Gilani beim Amtsantritt 2008 (Foto: dpa)
Ministerpräsident Gilani beim Amtsantritt 2008Bild: picture-alliance/dpa

Weiter im Norden des Landes befand sich das Gebiet Khyber Pakhtunkwa (früherer Name: Nordwestliche Grenzprovinz, NWFP), faktisch unter der Kontrolle militanter Kräfte, das Ansehen der Zivilregierung in Islamabad war auf einem Tiefpunkt. Armee und Sicherheitskräfte führten in ihrem Kampf gegen den Terror praktisch Krieg gegen die Bevölkerung. Die Justiz kämpfte unterdessen um ihre Existenz als eigenständige staatliche Gewalt, viele Richter wurden eingesperrt.

Gilani zieht Erfolgsbilanz

Gilani zieht eine positive Bilanz seiner Amtszeit, die ein Jahr vor dem Ende der Legislaturperiode endete. Im April 2012 wurde er vom Obersten Gericht des Landes wegen Missachtung des Gerichts verurteilt und musste daraufhin sein Amt niederlegen. "Die größte Leistung der PPP besteht darin, dass sie erstmals in Pakistan eine demokratische Regierung bis zum regulären Ende der Legislaturperiode geführt hat", so Gilani gegenüber der Deutschen Welle. Jetzt warte die Welt gespannt darauf, dass auch der Übergang zur nächsten Regierung reibungslos und demokratisch verlaufe.

Schulmädchen auf dem Weg zum Literaturfestival Lahore (Foto: DW)
Hoffnungszeichen - Schulmädchen auf dem Weg zum Literaturfestival in LahoreBild: DW/T. Shahzad

Gilani verweist auf die "gewaltigen Opfer", die Pakistan im Kampf gegen Terrorismus und Extremismus unter der PPP-Regierung gebracht habe. Und nicht nur das: Bereits 90 Tage nach dem Amtsantritt der Regierung hätten Maßnahmen zur Wiedereingliederung hunderttausender Binnenflüchtlinge gegriffen. Diese waren vor den Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und Militanten aus dem Swat-Tal im Nordwesten geflohen.

Auch habe seine Regierung die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung verbessert, und zwar durch direkte Finanzhilfen für die ärmsten Bevölkerungsgruppen ("Benazir Income Support Program"). "Wir haben den Armen viele Anreize zur Verbesserung ihrer Lage gegeben", so Gilani gegenüber der Deutschen Welle.

Gesetzesinitiativen alleine reichen nicht

Für Britta Petersen, Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Islamabad, stellt sich die Bilanz der vergangenen fünf Jahre PPP-Regierung etwas differenzierter dar. Die volle Amtszeit sei natürlich ein großer Sieg für die Demokratie, insoweit stimmt Petersen der Einschätzung Gilanis zu. Auch habe die Regierung Initiativen auf den Gebieten Frauenrechte, Klimapolitik und Nahrungsmittelversorgung vorzuweisen. "Aber das Problem ist, dass all diese vielen Seiten Gesetzestext auf die Anwendung in der Praxis warten", sagt Petersen.

Auch die Sicherheitslage habe sich in dem Zeitraum verschlechtert. Petersen zitiert einen Bericht des "Pakistan Institute for Peace Studies" (PIPS), wonach die Gewalt zwischen den Religionsgruppen in Pakistan 2012 um über die Hälfte gegenüber dem Vorjahr zugenommen habe. Und trotz der von Gilani herausgestellten Errungenschaften steht seine Volkspartei im Ansehen der Bevölkerung nicht gut da. Laut einer aktuellen Studie, die das "Sustainable Development Policy Institute" mit Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt hat, "halten 56 Prozent der befragten Pakistaner die PPP für die korrupteste Partei des Landes", berichtet Petersen. Trotzdem ist sie weiterhin die populärste Partei des Landes, wie aus derselben Umfrage hervorgeht.

People gather on the site of Nach einem Bombenanschlag auf ein schiitisches Viertel in Karatschi (Foto: Getty Images)
Nach einem Bombenanschlag auf ein schiitisches Viertel in KaratschiBild: Getty Images

Instabile Aussichten

Die PPP könnte bei den kommenden Wahlen, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage, mit knapp 30 Prozent der Stimmen vorn liegen, dicht gefolgt von der konservativen Pakistanischen Muslim-Liga von Ex-Premier Nawaz Sharif und von der reformorientierten Tehreek-e-Insaf (Bewegung für Gerechtigkeit) des Ex-Cricket-Stars Imran Khan. Wie auch immer das Wahlergebnis im einzelnen aussehen mag, "die nächste pakistanische Regierung wird auf jeden Fall eine schwache Regierung sein", so Petersen. Der Wahlsieger werde unter dem Zwang stehen, sich Koalitionspartner zu suchen, und die würden vor allem ihre eigenen Interessen verfolgen.