Gbagbo in Den Haag
19. Februar 2013Von 2000 bis 2010 war Laurent Gbagbo Präsident der Elfenbeinküste und seit November 2011 befindet er sich in Gewahrsam des IStGH. Am Dienstag (19.02.2013) haben zu seinem Fall die Anhörungen in Den Haag am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) begonnen. Dem 67-Jährigen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. "Laurent Gbagbo soll als Drahtzieher verantwortlich sein für Mord, Vergewaltigung, weitere Sexualdelikte, Verfolgung und andere menschenverachtende Handlungen", erklärt Fadi El Abdallah, Sprecher des IStGH. Die Anhörungsphase solle bis zum 28. Februar 2013 dauern. "Sie dient den Richtern als Entscheidungsgrundlage. Erst wenn sie abgeschlossen ist, wird entschieden, ob Herrn Gbagbo der Prozess gemacht wird oder nicht", so El Abdallah im Gespräch mit der DW.
Blutige Unruhen nach der Wahl 2010
Die Verbrechen, die Laurent Gbagbo angeordnet haben soll, liegen zwei Jahre zurück: Damals kam es in der Elfenbeinküste zu blutigen Unruhen, die etwa 3000 Menschen das Leben kosteten. Hunderttausende flohen. Der Grund: Gbagbo hatte die Präsidentschaftswahl Ende 2010 verloren, weigerte sich jedoch, abzutreten und seinem politischen Gegner Alassane Ouattara das Feld zu überlassen. Im ivorischen Verfassungsgericht hatten Gbagbos Anhänger das Sagen, und so wurde er zum offiziellen Wahlsieger erklärt.
Im Frühjahr 2011 eskalierte der Konflikt und es kam zu heftigen Gefechten zwischen den Anhängern von beiden Präsidentschaftsanwärtern. Die internationale Gemeinschaft übte Druck aus, die ehemalige Kolonialmacht Frankreich griff militärisch ein und am 11. April 2011 nahmen Soldaten Gbagbo fest. Alassane Ouattara wurde einen Monat später zum Präsidenten des westafrikanischen Staates ernannt.
Muss sich nur eine Seite verantworten?
In Abidjan, dem Regierungssitz der Elfenbeinküste, richteten jetzt viele den Blick nach Den Haag, so Jens-Uwe Hettmann, der dort für die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung arbeitet. Viele Menschen befürworteten das Verfahren gegen Gbagbo. Aber nicht alle seien mit der Arbeit des IStGH einverstanden. "Ein Teil der Bevölkerung hält das Ganze für Siegerjustiz", sagt Hettmann der DW. Die Kritik beruhe darauf, dass Anhänger des jetzigen ivorischen Präsidenten Outtara auch Mitverantwortung für die gewaltsamen Unruhen trügen, sich aber in Den Haag nicht verantworten müssten. Hettmann sieht das ähnlich: "Solange nur Vertreter einer der beiden Seiten vor Gericht gestellt sind, fällt es mir sehr schwer, hier von einer neutralen objektiven Rechtssprechung zu reden."
Diese Vorwürfe hält IStGH-Sprecher El Abdallah nicht für gerechtfertigt: "Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt die höchsten Drahtzieher der Verbrechen. Daher bleibt die Zahl der Fälle, die in unseren Zuständigkeitsbereich fallen, limitiert." Dabei spiele die Schwere der Anklagepunkte auch eine wichtige Rolle, erklärt El Abdallah im DW-Interview.
Beobachter rechnen mit Prozess
Seit gut zehn Jahren gibt es den IStGH in Den Haag. Er soll die schlimmsten Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verfolgen. Seit seiner Gründung hat das sogenannte Weltgericht zwei Urteile gesprochen und insgesamt 18 Verfahren eingeleitet. Eines davon ist das gegen Laurent Gbagbo. Kommt es zum Prozess, wäre er der erste ehemalige Staatschef auf der Anklagebank des IStGH. Beobachter gehen davon aus, dass die Anhörungen zu diesem Ergebnis führen werden - so auch Jens-Uwe Hettmann von Friedrich-Ebert-Stiftung in der Elfenbeinküste: "Ich kenne die Anklageschrift und da stehen ganz massive Sachen drin. Die Herausforderung ist dann natürlich für die Anklagevertretung, die Verbrechen, derer sie Gbagbo beschuldigt, auch zu beweisen."