ESC-Kandidatin Netta
13. Mai 2018Netta Barzilai - ein bisschen Beth Ditto, ein bisschen Björk, man möchte gerne sagen: eine Frau wie eine Granate - doch ist das bei einer Israelin politisch korrekt? Auf der ESC-Bühne gluckst sie, gackert wie ein Huhn, singt mit einer kräftigen Stimme und bläst alles um sich herum einfach um. Netta ist eine Erscheinung, nicht nur auf der Bühne. Sie kauft keine Kleider von der Stange, weil es in ihrer Größe einfach nichts Cooles gibt. So lässt sie sich ihre Klamotten von Designern schneidern.
Auf ihrem Instagram-Account gibt es kaum ein Foto, das sie nicht mit irgendeinem verrückten Make-Up, einer extremen Frisur oder einem fancy Dress zeigt. Als sie vor gut einer Woche auf dem sogenannten "Blauen Teppich" - dem Defilée der ESC-Kandidaten vor Presse und Fans - erschien, war es nicht nur ein Vorbeigehen und Posen. Sie rauschte über den Teppich, in einem pompösen Brautkleid mit Schleier, drehte sich, tanzte und sprach mit jedem, der etwas von ihr wollte.
23 Millionen Klicks auf Youtube
Seit Wochen gehörte sie zu den Favoriten beim ESC in Lissabon. Ihr lautstarkes und eindeutiges Statement zum #MeToo-Thema wird schon längst unter den ESC-Fans gefeiert, auf Youtube wurde das Video zum Song über 23 Millionen Mal gesehen.
Textsicherheit ist im Refrain nicht so schwer zu erlangen: "I'm not your toy, you stupid boy" (Ich bin nicht dein Spielzeug, du dummer Junge). "Toy" ist eine Botschaft an alle chauvinistischen Männer, ein Befreiungsschlag. Nicht nur für die Frauen allgemein, auch für Netta selbst. Sie sei früher immer diejenige gewesen, die gehänselt worden sei - und nun sei sie endlich mal kein Underdog mehr, sondern stünde ganz oben auf der Favoritenliste, darüber freue sie sich sehr. "Ich mache das, was mein Herz mir sagt. Ich überwinde Grenzen, und ich glaube fest, dass das der Weg ist, wie wir Dinge angehen sollten. Das gilt für alle, für Menschen, Völker und auch Künstler." Immer weiter solle man gehen, denn wenn man stets auf der gleichen Stelle trete, werde nie etwas passieren.
Vom Nachwuchstalent zum ESC-Star
Netta hat mit ihren 25 Jahren schon einen langen musikalischen Weg hinter sich. Sie hat ihren Militärdienst als Sängerin im Militärorchester absolviert, danach das Fach Musik studiert. Sie ist DJ und Clubsängerin, gibt Gesangsunterricht und versuchte sich auch in exotischen Musikstilen: 2016 gründete sie zusammen mit anderen Sängern den Improvisationschor "The Experiment" - mit Erfolg.
Schließlich gewann sie in diesem Jahr die Talentshow "HaKochav HaBa" (Der nächste Star) - etwas Ähnliches wie "Pop Idol" oder "Deutschland sucht den Superstar". Damit hatte sie das Ticket für den Eurovision Song Contest in der Tasche. Denn in dieser Show wird darüber entschieden, wer Israel beim European Song Contest vertreten darf.
Schönheit kommt von innen
Wenn jemand, der sich so präsentiert wie Netta, beim ESC auftaucht, ist er immer eine Art Paradiesvogel. Vor Netta waren es Typen wie der Deutsche Guildo Horn oder der Ukrainer Verka Serduchka, die aus der Masse der schönen Frauen und Männer hervorstachen, die dem Eurovision Song Contest sein typisches Glamour-Gesicht geben.
Netta ist endlich wieder so ein "Freak" - im positiven Sinne. "Look at me, I'm a beautiful creature" heißt es in der ersten Zeile von "Toy". Das ist sie - von innen wie von außen. Denn Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters.