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PolitikAsien

EU-China: Politischer Wille, aber kein Ergebnis

Barbara Wesel
14. September 2020

Ohne konkretes Ergebnis blieb die Videokonferenz zwischen den Spitzenpolitikern der EU und der chinesischen Regierung. Gespräche über das Investitionsabkommen wie über Menschenrechte müssten fortgesetzt werden.

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EU-China-Gipfel zu Markenschutz
Bild: Reuters/Y. Herman

Von einem der großen Ziele ihrer EU-Ratspräsidentschaft hat Angela Merkel sich jetzt verabschiedet: Ihr ursprünglich für diesen Montag geplanter EU-China-Gipfel werde in diesem Jahr nicht mehr stattfinden, räumte sie ein. Bei dem zweiten Ziel, einem Investitionsabkommen, versucht sich die Bundeskanzlerin in sehr gebremstem Optimismus: Die Verhandlungen hätten durch das Spitzengespräch mit Präsident Xi Jinping einen politischen Impuls bekommen. 

Abkommen bis Jahresende fraglich

Die Verhandlungen mit China über ein Investitionsschutz-Abkommen, das faire Wettbewerbsbedingungen zwischen chinesischen und europäischen Unternehmen herstellen soll, laufen seit 2013 und schienen lange auf der Stelle zu treten. Jetzt sehen sowohl Angela Merkel als auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anzeichen für Bewegung.

Seit den letzten Gesprächen im Juni habe es Fortschritte gegeben bei der Diskussion über den erzwungenen Technologietransfer - steter Kritikpunkt europäischer Firmen - über die Transparenz bei staatlichen Subventionen sowie das Verhalten chinesischer Staatsfirmen. Was allerdings nicht heißt, dass die Differenzen überwunden wären, sondern nur, dass europäische Forderungen angehört werden.

Von der Leyen betonte gleichzeitig, dass noch viel mehr zu tun sei: Etwa bei Marktzugang und nachhaltiger Entwicklung. "Unsere Investoren stehen noch zu vielen Hindernissen gegenüber", beklagte die Kommissionschefin. Bei der Telekommunikation, der Computerbranche oder medizinischer Ausrüstung etwa müsse es fairen und gleichberechtigten Zugang für EU-Unternehmen in China geben. Präsident Xi habe versprochen, sich damit zu beschäftigen.

Wie schnell kann es hier Lösungen geben? "China muss sich bewegen, wenn wir noch in diesem Jahr ein Abkommen wollen", sagte von der Leyen. Und: "China muss uns davon überzeugen, dass es die Sache wert ist, ein Investitionsabkommen zu haben". Eine klare Warnung, dass die EU kein Abkommen um jeden Preis will und von der chinesischen Seite deutlich mehr Entgegenkommen fordert. Die Haltung der Europäer scheint inzwischen selbstbewusster und kritischer.

Ist Deutschland schuld an schwacher China-Politik?

Ökonomen wie Max Zenglein vom Mercator Institut in Berlin halten Deutschland seit langem für das schwächste Glied in der EU-Chinapolitik: "In Deutschland ist es die Autoindustrie und dabei ist es Volkswagen". VW hatte 2018 über vier Millionen Fahrzeuge nach China verkauft und steht wegen seiner Fabrik in der Uighuren-Region Xinjiang in der Kritik. Deutsche Exporte nach China übersteigen die Gesamtsumme aller nächstgrößeren EU-Länder.

China 2014 Volkswagen in der Provinz Xinjiang | Werkseinfahrt
Volkswagen-Werk in Xinjiang, ChinaBild: picture-alliance/dpa/S. Scheuer

Bundeskanzlerin Angela Merkel aber hält die Frage danach, ob die starke Unwucht in den Wirtschaftsbeziehungen durch deutsche Exportinteressen entstanden sei, für Vergangenheitsbewältigung: "Politisches Handeln ist immer aus dem Kontext zu verstehen", so Merkel, und die Lage habe vor 15 Jahren eben noch sehr anders ausgesehen. China sei quasi wie ein Entwicklungsland gestartet und seitdem viel stärker geworden. Daher sei auch die Forderung nach fairen Wettbewerbsbedingungen heute stärker und berechtigter. Inzwischen müsse man China als klaren Wettbewerber betrachten, so dass der Marktzugang und die Bedingungen für Unternehmen gleichberechtigt sein müssten.

Bei all diesen Fragen brauche man Ergebnisse. Die Bundeskanzlerin lobte zwar ebenfalls die jüngsten Impulse bei den Gesprächen, sagt aber auch: "Irgendwann muss es zu politischen Entscheidungen kommen". Beide Seiten hätten Erwartungen aneinander, die jeweils nicht leicht zu erfüllen seien.

Als positives Signal wertet Angela Merkel dabei die getroffene Vereinbarung über den Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen, das sei gut für "deutsche Weinbauern an der Mosel oder bayerische Bierbrauer". Wirtschaftlich gesehen aber ist das ein Minimalerfolg, die dicken Bretter müssen in der Autoindustrie, beim Maschinenbau oder den Zukunftstechnologien gebohrt werden.   

"Offener Dialog" ohne Folgen bei Menschenrechten

Angela Merkel schien zurückhaltend bei der Bewertung des Austausches in Menschenrechtsfragen. "Präsident Xi hat aus seiner Perspektive argumentiert", habe aber angeboten, dass Diplomaten eventuell nach Xianjiang reisen könnten. Dort wird von anhaltenden Menschenrechtsverstößen gegenüber Uighuren berichtet, die in Lagern festgehalten werden. "Aber man muss sehen, ob das etwas wird", so Merkel. In den Fragen der Menschenrechte gebe es Berührungspunkte, aber keine Übereinstimmung, der Dialog solle fortgesetzt werden.

EU-Ratspräsident Charles Michel nannte das Gespräch mit Xi "offen und deutlich" und zählte noch einmal die Kritikpunkte der Europäer auf: Das Sicherheitsgesetz in Hongkong werde weiter mit Sorge gesehen, China solle seine Zusagen dort einhalten. Man habe auch die schwere Besorgnis wegen der Vorgänge in Xinjiang und Tibet wiederholt und fordere China auf, die Rechte von Menschenrechtsaktivisten und Journalisten zu achten. Er fordere Zugang zu den betreffenden Regionen für unabhängige Beobachter: "Wir schauen nicht weg, diese Themen müssen angesprochen werden".  

EU-China-Gipfel zu Markenschutz
Bezeichnet die Gespräche als "offen und deutlich": Charles MichelBild: Reuters/Y. Herman

Allerdings formulieren die Spitzen der EU keine Konsequenzen, wenn China seine Menschenrechtspolitik weiterhin nicht ändert. Weder gibt es bisher ein Verbot für den Import von Produkten aus Zwangsarbeit, wie es das Europaparlament fordert, noch eine Drohung mit anderen gezielten Sanktionen.

Europäer sehen China kritisch

Der "European Council on Foreign Relations" glaubt, dass die Zurückhaltung der EU im Umgang mit China an den veränderten politischen Bedingungen und am Willen der Bürger vorbei gehe. Viele hätten lange geglaubt, dass China kein Interesse daran habe, die EU international zu unterminieren. Jüngste Umfragen aber zeigten, dass die Haltungen inzwischen viel skeptischer seien: "Die Europäer sind misstrauisch gegenüber den wirtschaftlichen Praktiken und den Menschenrechtsverletzungen in Hongkong oder Xinjiang", erklärt Asienexpertin Janka Oertel. China werde mehr und mehr zu einem Rivalen, der gegen Europas Interessen handele.

Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer kritisiert die deutsche Position gegenüber der kritischen Entwicklung der EU-China-Politik. Angela Merkels Rolle dabei sei schwächer geworden, denn bei keinem der Themen gebe es erkennbaren Fortschritt. Und solang Präsident Xi keine Zugeständnisse beim Investitionsabkommen machen wolle, gebe es auch keine Chancen für eine positive Wirtschaftskooperation.

Solange es allerdings in Berlin eine Resthoffnung gibt, bis Ende des Jahres das Abkommen doch noch abzuschließen, dürfte die deutsche Politik vorsichtig bleiben. Wird daraus aber nichts, werden sich wohl nach dem Ende der deutschen Ratspräsidentschaft weniger Verfechter für die gewohnte Zurückhaltung gegenüber Peking finden.