Wenig Erwartungen an EU-Gipfel
12. Dezember 2012Bevor der EU-Gipfel in Brüssel für alle beginnt, haben sich die Finanziminister der Eurozone am frühen Donnerstagmorgen schon auf eins geeinigt: die Euroländer sollen zukünftig von einer zentralen Bankenaufsicht kontrolliert werden. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte noch am Mittwoch (12.12.2012) vor dem Europaparlament gesagt, der Gipfel in Brüssel müsse mindestens eines bringen, nämlich einen Beschluss zu einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht: "Das ist der wichtigste Schritt zu einer weiteren Vertiefung und Vervollkommnung der Wirtschafts- und Währungsunion." Ein Punkt der To-do-Liste kann also abgehakt werden. Die Bankenaufsicht ist allerdings nur der erste Schritt in Richtung einer Bankenunion. Außerdem müssten auch die Spar- und Reformanstrengungen weitergehen, mahnte Barroso vor dem Gipfel. Disziplin in den angeschlagenen Ländern und die Hilfe der soliden Staaten gingen Hand in Hand. "Wir brauchen beides. Man kann nicht zwischen Solidarität und Verantwortung wählen", so der EU-Kommissionspräsident.
Drei Gruppen, drei Interessen
Damit hat Barroso schon den Hauptstreitpunkt genannt. Denn die geplante Bankenunion, zu der die Bankenaufsicht gehören soll, wird in Europa unterschiedlich bewertet. Die einen hoffen vor allem auf leichtere Unterstützung für ihre klammen Kreditinstitute. Die Bankenaufsicht ist sogar die formale Voraussetzung dafür, dass der Rettungsfonds ESM in Zukunft überschuldeten Banken direkt, also ohne den Umweg über die betroffenen Staaten, helfen kann. Vor allem Spanien, dessen Banken den Staat fast in den Bankrott getrieben haben, macht sich große Hoffnungen. Es erhält starke Unterstützung von Frankreich. Beide wollen die Bankenaufsicht möglichst schnell umsetzen, so dass sie spätestens Ende 2013 oder Anfang 2014 ihre Arbeit aufnehmen kann.
Eine andere Gruppe unter Führung Deutschlands sieht in der Bankenunion in erster Linie ein Kontrollinstrument. Sie will zwar das Finanzsystem in Europa stabilisieren, aber nicht vor allem auf ihre Kosten. Die solventen Staaten um Deutschland befürchten, dass letztlich ihre Sparer für fremde Banken geradestehen müssten. Deswegen sehen sie auch längerfristige Ideen wie eine gemeinsame Einlagensicherung sehr kritisch. Unter dem Motto "lieber gründlich als schnell" treten diese Länder auf die Bremse.
Und dann gibt es eine dritte Gruppe unter britischer Führung. Das sind Länder außerhalb der Währungsunion, aber mit starken finanzpolitischen Interessen. Sie befürchten, dass die Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank eine Kontrolle ausüben wird, auf die sie als Nicht-Euro-Länder keinen Einfluss haben.
Wo ist die Nobelpreis-Euphorie?
Zusätzlich zu diesen drei Fronten hat EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy ein Papier zur Zukunft der Union vorgelegt, das ebenfalls heftig kritisiert wird, vor allem von Deutschland. Auch in diesem Entwurf sehen die Deutschen zuwenig Anreize zu mehr Haushalts-Disziplin und Wettbewerbsfähigkeit. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt hier aber der Schlüssel zur Lösung der Krise. Im Europaparlament beklagte am Mittwoch Rebecca Harms, die stellvertretende Vorsitzende der grünen Fraktion, den Gegensatz zwischen der Euphorie nach der Verleihung des Nobelpreises am Montag in Oslo und den jetzigen Problemen: "Wir finden eine Zerstrittenheit, die schlimmer ist als vor jedem anderen Gipfel des letzten halben Jahres. Mein Gott, wo stehen wir!"
"Euro-Rettung führt zu Volksaufständen"
Während nun einige lieber heute als morgen eine komplette Bankenunion verwirklichen möchten, wollen andere sie am liebsten überhaupt nicht. Nigel Farage von der rechten "United Kingdom Independence Party" sieht für die Währungsunion in ihrer jetzigen Form ohnehin keine Zukunft: "Die Bankenunion ändert nichts an dem Problem, dass es eine gewaltige Spanne in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen Deutschland und den Mittelmeerländern gibt."
Den Euro mit immer neuen Hilfsmaßnahmen und Sparauflagen retten zu wollen, führe am Ende wohl nur zu Volksaufständen. "Wenn wir gute Europäer sind, ist es besser, wir zerschlagen die Eurozone und erkennen, dass Griechenland, Spanien und Portugal gar nicht erst hätten beitreten sollen." Doch keiner der Staats- und Regierungschefs will ein Ende des Euro, selbst der britische Premierminister David Cameron nicht. Für heftige Diskussionen bietet der Gipfel aber sicher ausreichend Gelegenheit.