Veggie-Produkte dürfen Fleischnamen tragen
23. Oktober 2020Es ging um die Veggie-Wurst: Nach dem Willen des Europaparlaments sollen pflanzliche Fleisch-Ersatzprodukte auch weiterhin Bezeichnungen wie "Steak", "Burger" oder andere tierisch anmutenden Benennungen tragen dürfen. Das EU-Parlament lehnte einen entsprechenden Gesetzesentwurf ab. Auch ein Kompromiss-Entwurf, der eine deutlichere Kennzeichnung der Ersatzprodukte mit dem Vermerk "ohne Fleisch" vorschlug, fiel durch.
Während die pflanzliche Pelle der Tofu-Wurst unberührt bleibt, soll es der Entscheidung des EU-Parlaments zufolge aber Änderungen bei anderen Produkten geben: Der Gesetzesentwurf für strengere Regeln für Milchalternativen erhielt eine Mehrheit von 386 zu 290 Stimmen. Bezeichnungen wie "Mandelmilch" sind in der EU bereits verboten. Der Europäische Gerichtshof urteilte 2017, dass als Milch nur Erzeugnisse bezeichnet werden dürfen, die aus der "normalen Eutersekretion" von Tieren gewonnen werden. Das Gleiche gilt für die Bezeichnungen von Milchfolgeprodukten als "Käse" oder "Butter".
Ein "Typ" ohne Chancen
Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass auch beschreibende Ausdrücke wie "à la", "Typ" oder "Nachahmung" nicht zugelassen werden sollen. Marco Contiero, EU-Direktor für Agrarpolitik bei der Umweltorganisation Greenpeace, nannte die Entscheidung für verschärfte Regeln für Milch-Ersatzprodukte "schmachvoll". Der Europäische Verbraucherverband (BEUC) schloss sich der Kritik an. Die Hoffnung liege nun darauf, dass sich der Gesetzesvorschlag bei den Verhandlungen mit dem EU-Rat nicht durchsetzen könne, teilte BEUC-Lebensmittelexpertin Camille Perrin mit.
Der Verband lobte indes die Entscheidung gegen das Verbot von Fleisch-Bezeichnungen für Veggie-Produkte. Damit sei das EU-Parlament dem gesunden Menschenverstand gefolgt, so der Verband. Einige EU-Parlamentarier hatten vor der Abstimmung die Diskussion über das Thema kritisiert. "Wir halten die ganze Debatte für völlig überflüssig", sagte der FDP-EU-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen. "Wir sind überzeugt, dass sich der Bürger selbst ein Bild machen kann." Schließlich wisse der Verbraucher auch, dass man Scheuermilch nicht trinken könne, so Oetjen.
Absatz seit 2015 verdoppelt
Der Markt für Fleisch- und Milchersatzprodukte auf der Basis von pflanzlichem Eiweiß boomt seit Jahren. Schätzungen zufolge hat sich der Absatz von Fleischersatzprodukten in Europa in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt.
Vor allem Landwirtschaftsverbände hatten daher vorab massiv Werbung für das Verbot der Fleischbezeichnungen für Ersatzprodukte gemacht. Der EU-Landwirtschaftsverband (Copa-Cogeca) erklärte in einem Tweet, dass mit der Zulassung von Fleischbezeichnungen für pflanzenbasierte Alternativen die Büchse der Pandora geöffnet werde. Er sprach von einem Schaden für Landwirte und Konsumenten, die durch die unklaren Bezeichnungen verwirrt würden.
Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) forderte "ehrliche" Produktnamen für Ersatzprodukte. Dass für die pflanzlichen Alternativen Fleisch-Benennungen gewählt würden, bezeichnete DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken als "merkwürdige Form von Trittbrettfahrerei". "Ein Marketing, mit dem das Original erst in Verruf gebracht und dann in der Bezeichnung kopiert wird, ist unlauter", erklärte Krüsken.
Wie fit ist der Konsument?
Es ginge nicht darum, den Veggie-Markt auszubremsen, betonte der Vorsitzende des Agrarausschusses des Europaparlaments, Norbert Lins (CDU). Er forderte jedoch Klarheit bei den Bezeichnungen. "Wir wollen die Bezeichnung "reiner" Fleischprodukte schützen, während das Ersatzprodukt für Fleischzubereitungen das "Veggie-Label" führen sollte."
Grünen-Europapolitiker Martin Häusling sieht hingegen kein Risiko der Verwirrung für Konsumenten an den Kühlregalen. Er glaube nicht, dass es bei Veggie-Burgern und Burgern aus Fleisch zu Verwechslungen kommen könnte, so Häusling. Er befürchte eher, dass das EU-Parlament Gefahr laufe, damit in einer "zweiten Gurken-Verordnung" zu enden. Die berühmt-berüchtigte - und mittlerweile wieder aufgehobene - Verordnung zur erlaubten Krümmung von Gurken wird von Kritikern gern als Beispiel für eine Überregulierung aus Brüssel genannt.
sti/uh (afp, dpa)